Page 14 - Spielfeld_Oktober_2015
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   MEHR ALS NUR EIN JOB
Caroline Greiner, Kreisgeschäftsführerin im Deutschen Roten Kreuz, verantwor- tete die Unterbringung der Flüchtlinge in der Messe Sinsheim.
Gerade jetzt, wo die Emotionen sich setzen können, ein wenig Ruhe einkehrt, der erste große Einsatz in diesem Jahr bewältigt ist, formuliert Caroline Greiner die passende Zeile für ihr Gefühlsleben: „Wir sind ja keine Roboter.“ Dieser Satz, der doch eigentlich so selbstverständlich sein sollte für uns Menschen, er brennt sich ein. Die Kreis- geschäftsführerin des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Rhein-Neckar/Heidelberg e.V. sagt es mit einer Verve, die anrührt. Mit 220 hauptamtlichen Angestellten und 1.500 ehrenamtlichen Kräften hat das DRK hier vor Ort, in unserer Region, den Menschen in Not Schutz und Obhut geboten.
Greiner hat mit dem Team dafür gesorgt, dass ab Mitte August bis zu 1.450 Flüchtlinge in der Halle 6 der Messe Sinsheim ein Dach über dem Kopf hatten, ausreichend Essen, ein Bett, medizinische Versorgung. All‘ das war bitter vonnöten für die Menschen, die oftmals eine lange Reise hinter sich hatten, eine Reise ins Ungewisse, die Halt mach- te in Sinsheim, ehe die Menschen Mitte September weiter mussten, verstreut in die Kommunen des Landes. „Wir machen hier ja eine Grundversorgung“, sagt Greiner, so als ob sie sich entschuldigen müsse für die Mammutleistung, die das DRK bewältigt hat. Innerhalb weniger Tage hat Greiner in Tag- und Nachtarbeit mit den Kollegen dafür gesorgt, dass aus der kühlen Halle eine Unterbrin- gung wurde, die den Menschen in Not das Gefühl gab, willkommen zu sein, umgeben von Menschen, die ihnen zur Seite stehen.
Als der Anruf aus dem Innenministerium kam, setzte Greiner eine Maschinerie in Gang, die straff organisiert ist, um schnellstmöglich alle Bedingungen zu erfüllen. Flüchtlinge aus insgesamt knapp 40 Nationen mussten versorgt werden, darunter etwa 150 Kinder und Jugendliche. Die größte Gruppe bildeten dabei mit Abstand die Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die allein ein Drittel ausmachten, zudem viele Menschen aus dem Irak und Pakistan.
„Wir sind ja keine Roboter.“
Für sie alle wurde innerhalb von 72 Stunden eine Heimstatt gezimmert. Feldbetten wurden herangekarrt, ein Caterer verpflichtet, um die Masse an Menschen verpflegen zu können, es wurden Ärzte benötigt, Kleidung, Spielzeug für die Kinderbetreuung. Am Ende wurden gar zwei Kilometer Bauzaun aus Holland geliefert, um den Flüchtlingen bei aller Enge ein Mindestmaß an Privatsphäre zu schaffen, damit sie, in notdürftig mit Sichtschutzplanen abgetrennten Parzellen, ankommen können in diesem Land. Alle Räume bekamen Hausnummern; die Menschen waren nicht mehr anonyme Masse, nicht Teil der so lax dahin formulierten „Flüchtlingswelle“, sondern Individuen mit ganz persönlichen Schicksalen.
„Die Anspannung war groß, als der erste Bus mit 60 Flüchtlingen aus Karlsruhe kam“, erklärt Greiner. Sie wussten nicht, wer oder was sie erwartet. Da ging es ihnen kaum anders als den Flüchtlingen, die ungläubig, teils verschüchtert, ja ängstlich schauten ob ihrer neuen, kurzfristigen Heimat. Was aber machte man mit den Menschen, von denen man weiß, dass man sie in zwei, drei Wochen wieder verabschieden muss? „Du musst viele Angebote machen“ sagt Greiner.
So organisierte das DRK etwa dank vieler ehrenamtlicher Helfer Schulungen, gab Deut- schunterricht, um den Flüchtlingen die Ankunft zu erleichtern. Und immer wieder begegneten den Helfern beklemmende Schicksale. Das ist es, was Greiner – bei aller notwendigen Professionalität – nachhaltig berührt hat: „Es ist für alle Beteiligten schwierig, weil man sich ja mit Einzelschicksalen identifiziert. Es ist schwer auszuhalten, weil du ja mehr machen willst, aber es nicht kannst, weil du allen gleichermaßen gerecht werden musst.“
Dankbar aber ist Greiner für die ermutigen- den Zeichen aus der Bevölkerung, die viele Hilfe, das überbordende Engagement. „Wir brauchen diese Offenheit, die ich in Sinsheim gespürt habe“, sagt die gebürtige Hoffen- heimerin. „Und wenn es nur ein ‚Hallo‘ ist, wenn man sich auf der Straße begegnet.“ Dieses Gefühl, als Mensch angenommen zu werden, sei für die Flüchtlinge nach den teils traumatischen Erfahrungen sehr wichtig. Und für die Menschen hier in der Region sei die Zeit auch durchaus eine wertvolle Erfahrung gewesen. Denn: „Wer einmal in so einer Notunterkunft war, der ist geerdet. Er weiß, dass diese Menschen in Not sind; egal, ob sie ein Handy haben.“
  Flüchtlingskinder erhielten Schuhe der TSG.
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