Page 43 - Spielfeld_August_2021
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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 „Am Ende des Tages war der Glaube an mich doch immer größer. Sonst wäre ich heute nicht hier.“
Sucht man im Duden nach der Bedeutung des Wortes Sunnyboy, erhält man eine perfekte Beschreibung – von Ermin Bičakčić: „Junger
Mann, der Charme und eine unbeschwerte Fröhlichkeit ausstrahlt, dem die Sympathien zufliegen.“ Doch das eigentlich unkaputtbare Lächeln des menschlichen Stimmungsaufhellers wich in den vergangenen Jahren ungewohnt oft nachdenklichen, ernsten und auch mal niedergeschlagenen Gesichtszügen. Die enor- me Leidensphase nach seinem im September 2020 erlittenen Kreuzbandrisses waren in der Mimik des 32-Jährigen immer öfter abzulesen. Er bewegt sich in einem Kreislauf aus Hoffnungen und Rückschlägen; die Momentaufnahme im Juli ist daher eine unge- wöhnliche: Der Entertainer muss entertaint werden.
Im Trainingslager in Kitzbühel war die persönliche Tragik bestens zu beobachten. Für Bičakčić, nach seiner zwischenzeitlichen Hochphase mit Bundes- liga-Comeback im Mai und Vertragsverlängerung im Juni, standen in Österreich wieder jene Dinge auf dem individuellen Trainingsplan, die er eigentlich hinter sich gelassen geglaubt hatte – und die unter Fußballern als Höchststrafe gelten, wenn die Kolle- gen um die Stammplätze kämpfen: Einzeltraining, Läufe, Zuschauen. Aufmunternde Worte kann in so einer Situation jeder Spieler gebrauchen – auch ein spezieller wie Ermin Bičakčić. Denn der Abwehrspieler ist nicht irgendein Profi. Als Kind hatte er mit seinen Eltern aus Bosnien fliehen müssen und ermöglichte sich danach seine Karriere durch harte Arbeit und große Disziplin – Bičakčić verdankte seinen Erfolg stets mehr seinem Willen als seinem Talent. Auch deshalb ist „Eisen-Ermin“ mehr als nur ein Name,
es ist längst eine Huldigung der Fans für den Muster- profi. Die Anerkennung macht ihn stolz – und lässt ihn auch in dieser schweren Phase nie ans Aufgeben denken. Sorgen, dass das fröhliche Gesicht der TSG dauerhaft vereist, müssen Fans und Mitspieler nicht haben. Der Vorzeigekämpfer kämpft – auch gegen zu hohe Erwartungen an sich selbst.
Denn eigentlich sollte in Österreich längst wieder sportliche Normalität erlangt sein: viele Zweikämpfe, wenig Sorgen. Doch das operierte Knie wollte noch nicht so, wie es der Bosnier geplant hatte. Der Wunsch, die gesamte Vorbereitung mit dem Team zu absolvieren, wurde nicht erfüllt. Es ist ein Déjà-vu der vergangenen Monate, wie er ehrlich zusammen- fasst: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte nicht auch Zweifel gehabt. Es war so eine intensive und herausfordernde Zeit mit vielen Höhen und Tiefen, darüber könnte ich ein Buch schreiben. Ich musste damit zurechtkommen und den Rück- schlag in positive Energie umwandeln. Das war kein einfacher Weg, sich da herauszukämpfen. Zum Glück habe ich es geschafft. Ich habe mir gesagt, dass es nichts bringt zu hadern, sondern habe den Fokus nach vorn gerichtet. Am Ende des Tages war der Glaube an mich doch immer größer. Sonst wäre ich heute nicht hier.“ Der Rückschau folgt sogleich der Blick nach vorn: „Ich war fast 20 Monate raus und habe in der vergangenen Saison sechs Wochen mit der Mannschaft trainiert, da kann man noch nicht viel erwarten. Ich habe es gelernt, dass es eine gewisse Anlaufzeit benötigt. Einer gewissen Vernunft bedarf es da. Aber ich bin sicher, bald wieder voll dabei zu sein.“
  


























































































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