Page 18 - Spielfeld_Januar_2020
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Rettig blickt anerkennend hinüber zu Dietmar Hopp, der 1972 die SAP gründete und gemeinsam mit seinen Mitstreitern dank kluger Strategie und langfristiger Planung zu einem erfolgreichen Welt- konzern formte – und bei den Mitarbeitern zugleich einen hervorragenden Ruf als überaus empathischer Chef genoss. Rettig ist der Respekt vor dieser Le- bensleistung anzumerken.
Gibt es bei der Nachwuchsförderung einen ebenso hohen Nachholbedarf?
Hopp: „Ich finde, dass die Profivereine eine sehr große Verantwortung tragen, sich auch um die schulische, berufliche und auch charakterliche Ausbildung der Jugendlichen intensiv zu kümmern. Deshalb wendet sich bei uns Anpfiff ins Leben mit professionellen Strukturen der zweiten Ausbildung des Nachwuchses zu. Denn schließlich schaffen es maximal zwei Prozent pro Jahrgang, als Profi mit dem Fußball genug Geld zu verdienen, dass sie am Ende der Karriere ausgesorgt haben.“
Rettig: „Das Schienbein ist schnell gebrochen, das Kreuzband schnell gerissen. Es gibt keinen Ersatz für eine duale Ausbildung. Eine Aussage, wie sie Herr Magath mal gemacht hat, dass ein junger Profi sein Abitur abbrechen soll (Julian Draxler; Anm. d. Red.), ist in diesem Zusammenhang übrigens wenig hilfreich. Ich habe ihm deswegen damals auch einen Brief geschrieben. Was in Hoffenheim mit der kon- sequenten schulischen Förderung geleistet wird, die eine hohe Qualität besitzt, ist dagegen vorbildlich.“ Hopp: Wir planen nun sogar, noch einen Schritt weiterzugehen und eine Privatschule zu grün- den, weil das offenbar die einzige Möglichkeit ist, dass die Jugendlichen den Leistungssport und die schulischen Anforderungen reibungsloser unter einen Hut bekommen. Momentan sind sie enormen Belastungen ausgesetzt.“
Rettig: „Da kann ich Ihnen nur zu gratulieren, wenn Sie das mit der Privatschule hinbekommen. Dies ist genau der richtige Weg, um größtmögliche Flexibili- tät zu erreichen. Und die von Ihnen angesprochene
Charakterbildung ist eine immens wichtige Ange- legenheit. Ich muss in den Akademien das richtige Bewusstsein schaffen, neben dem Pass mit der Innenseite auch andere Dinge thematisieren. um deutlich zu machen, in was für einer Traumwelt wir leben. Dazu gehört auch, den jungen Leuten immer zu sagen, dass sie diese Anteilnahme und Annehmlichkeiten genießen, weil sie das Trikot tragen. Das gilt keiner Person. Das ist irgendwann vorbei. Aber es fällt uns noch zu schwer, das zu vermitteln. Weil wir zu viele Protagonisten haben, die Wasser predigen und selber dabei Wein trinken, um es mal klar zu sagen.“
Wir sind bass erstaunt. Hier sitzen Dietmar Hopp und Andreas Rettig zusammen und wir stellen nach einer Stunde Gespräch fest: So unterschiedlich wie allgemein angenommen sind Sie gar nicht.
Hopp: „Wir sind sogar weitgehend sehr einig.“ (lacht) Rettig: „Ich habe Herrn Hopp ja nie für sein En- gagement kritisiert. Mir ging es immer darum, dass man sich an die Spielregeln halten muss. Herr Hopp hat das in außergewöhnlicher Weise gemacht. Als ehemaliger DFL-Geschäftsführer, der an Ihrer Ausnahmegenehmigung von 50+1 beteiligt war, weiß ich sehr genau, was Sie geleistet haben und kann nur sagen: Ich gratuliere. Der Unterschied zwischen ihrem Engagement und dem der Bayer AG in Leverkusen und Volkswagen in Wolfsburg etwa ist ein ganz profaner: Sie haben Ihr privat versteuertes Geld investiert, um die TSG Hoffenheim zu entwi- ckeln. Das ist ein Riesenunterschied. Sie haben hier selbst gespielt, Sie sind hier groß geworden, Sie haben in Infrastruktur und in die Nachwuchs- förderung investiert. Ihr Engagement ist überaus glaubwürdig wie nachhaltig. Das hat für mich eine ganz andere Qualität, als wenn man den Fußball als Werbeplattform benutzt, um Autos, Tabletten oder Brausegetränke zu verkaufen. Deswegen verteidige ich auch Ihr Engagement zum Unwillen von Teilen der Fanszene. Zugleich kämpfe ich weiter für den Erhalt von 50+1 und das mit Überzeugung.“
„Ihr Engagement ist überaus glaubwürdig wie nachhaltig. Das hat für mich eine ganz andere Qualität, als wenn man den Fußball als Werbeplattform benutzt, um Autos, Tabletten oder Brausegetränke zu verkaufen. Deswegen verteidige ich auch Ihr Engagement zum Unwillen von Teilen der Fanszene.“ ANDREAS RETTIG ZU DIETMAR HOPP
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