Page 80 - Spielfeld_Mai_2019
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 EMPFEHLUNG DES HAUSES
DAS PANTHEON DES DEUTSCHEN FUSSBALLS
Es war ein beseelter, heiterer Abend – fast so, als würde das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund dreieinhalb Jahre nach seiner Einweihung ein zweites Mal eröffnet. Am 1. April feierten rund 400 Gäste mit einer Gala den Gründungsakt der lange geplanten Ruhmeshalle, der Hall of Fame des deutschen Fußballs.
VON JOCHEN HIEBER
   Im vergangenen Herbst hatte die Jury, der 25 Sportjournalisten und der Museumdirektor Manuel Neukirchner angehörten, aus den 881
Länderspiel-Aufstellungen der DFB-Auswahl zwischen 1908 und 2013 jene elf Einzigartigen ausgewählt, die das Nonplusultra unserer Spielkultur reprä- sentieren. Dazu den Bundestrainer, der bisher den nachhaltigsten Eindruck hinterließ: naturgemäß Sepp Herberger, der zugleich – „Das Runde muss ins Eckige“ – ein begnadeter Aphoristiker unserer Sprache war und ist. Dass man die Grenze für den Moment im Jahr 2013 zog, ist schlüssig. Mindestens fünf Jahre, so die Prämisse der Jury, muss eine Karriere zurückliegen, um ihre Strahlkraft stabil messen zu können. In wenigen Monaten übrigens wird auch die Gründungself des Frauenfußballs in die Hall of Fame aufgenommen; bis zu fünf Zuwahlen wird es dann Jahr für Jahr geben.
Unsere Gegenwart ist unheldisch, ja antiheroisch – desto hemmungsloser frönt sie dem oberfläch- lichen Starkult. Deshalb kann die Ruhmeshalle im Dortmunder Museum ein guter Ort des Nachdenkens sein: Was sind und wofür stehen Idole und Legenden eigentlich? Das Ur-Pantheon des deutschen Fußballs sieht folgendermaßen aus. Im Tor: Sepp Maier, der Clown als Könner, jetzt 75 Jahre alt. In der Abwehr: Andy Brehme (58), der beidfüßig Bodenständige; Paul Breitner (67), der ewige Rebell; Franz Beckenbauer (73),
Trainer der Hall of Fame: Sepp Herberger
das unübertreff liche Genie des Unangestrengten. Im Mittelfeld: Fritz Walter, der präzise Gefühlstratege, 2002 im Alter von 81 Jahren gestorben; Günter Netzer (74), der Antiautoritäre aus der Tiefe des Raums; Lothar Matthäus (58), ein Kraftästhet in der Spielzentrale; Matthias Sammer (51), der intellektuelle Taktik- Impresario. Im Angriff: Helmut Rahn (gestorben 2003 mit 73), der Boss aus dem Hintergrund; Uwe Seeler (82), der volksnahe Vollstrecker; Gerd Müller (73), der einzigartige Präsenzgarant.
Zum Schönsten des Fußballs gehört, dass sich endlos über ihn debattieren lässt. Selbstverständlich auch über das Ur-Pantheon. Am besten aber, wir fangen erst gar nicht damit an, denn die Wahl der Juroren ist im Detail so diskutabel wie im Großen und Ganzen tadellos: „Sie verstehen etwas von Fußball“, sagte Sepp Maier ob der eigenen Ernennung in valentines- ker Nonchalance. Überaus charakteristisch für den Umgang dieses Sports mit der eigenen Geschichte ist, dass all jene Heroen der Vergangenheit, von denen wir keine Filmszenen oder nur sehr wenige Bewegt- bilder besitzen, zunächst ohne jede Chance blieben: der Nürnberger Heiner Stuhlfauth etwa, der in den 1920er Jahren ein nahezu unbezwingbarer Torhüter war, oder der Kattowitzer Stürmer Ernst Willimowski (1916 bis 1997), den Fritz Walter einmal „das größte Wunder im Ausnutzen von Torchancen“ nannte – da allerdings kannte er Gerd Müller noch nicht.
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