Page 8 - Spielfeld_Maerz_2019
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 Kinder, wie die Zeit vergeht
  30Jahre sind nicht unbedingt eine Zeitspanne, die man in einer Zeitmaschine zurücklegen würde, um eine andere Generation der Menschheit zu bestaunen. Für Fans des
Frauenfußballs würde sich eine Reise ins Jahr 1989 aber durchaus lohnen – es war so etwas wie die Stunde null des Sports, eine im Jahr 2019 kaum noch vorstellbare Epoche.
In Deutschland wurde damals die Frauen-Europameisterschaft aus- getragen. Nicht unbedingt ein sportliches Großereignis – das Teil- nehmerfeld bestand aus gerade einmal vier Mannschaften, insgesamt wurden auch nur vier Partien gespielt. Doch die hatten es – vor allem aus deutscher Sicht – in sich: Die Mannschaft des damaligen Bundestrainers Gero Bisanz feierte im Halbfinale, das gleichzeitig das erste Turnierspiel war, einen überraschenden und vor allem hart erkämpften 4:1-Triumph nach Elfmeterschießen gegen Italien. Nach 90 und 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden, die 8000 Zuschauer im Siegener Leimbachstadion waren fasziniert. Auch die heutige DFB-Frauen-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg war Zeitzeugin: „Ein Spiel, bei dem ich dachte, ich beiße gleich in den Blumenkasten. Der Spielverlauf war so aufregend. Nach dem Schlusspfiff herrschte eine ganz euphorische Stimmung. Nicht nur bei mir flossen die Tränen der Erleichterung.“ Das erste live im Fernsehen übertragene Frauen-Länderspiel fesselte auch die Fußballfans daheim: Millionen Zuschauer feierten das Team, eine Welle der Begeisterung erfasste das Land – das Finale in Osnabrück war prompt ausverkauft.
Die Ticketinhaber wurden Zeugen eines Jahrhundertspiels. Deutschland besiegte den Favoriten aus Norwegen 4:1. Die gebürtige Weinheimerin und kürzlich viel zu jung verstorbene Heidi Mohr erzielte das 3:0. Deutschland holte zum ersten Mal den EM-Titel – und die Spielerin- nen erhielten, als kleinen Dank, eine ganz besondere Prämie: Der DFB schenkte jeder seiner Europameisterinnen ein Kaffeeservice.
HÄRRINGERS ECKE
Die Weinheimerin Heidi Mohr (oben) schießt im Finale der EM 1989 das 3:0 gegen Norwegen – und sorgt so auch dafür, dass ihre Mitspielerinnen Jutta Nardenbach, Petra Damm und Doris Fitschen (unten/v. l.) eine Auszeichnung des DFB erhielten, die heute für Empörung sorgen würde – aber mittlerweile Kult geworden ist.
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© 2019 Christoph Härringer, www.facebook.com/Spottschau


























































































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