Page 70 - Spielfeld_November_2017
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 ANPFIFF INS LEBEN
Die Lebensgeschichte von Metin Aktay ist sehr ungewöhnlich. Der in Lauffen am Neckar geborene 45-Jährige besitzt die türkische Staatsbürgerschaft, fühlt und betrachtet sich aber als Deutscher. Deswegen wird er von vielen Türken angefeindet. Bei den Amateurklubs in der Region ist Aktay indes bekannt und geschätzt, denn schon seit 29 Jahren ist er für die TSG Hoffenheim als Schiedsrichter unterwegs. Nun ist er sogar zu einer kleinen Berühmtheit geworden: Sein Buch „Heimatlos und zerrissen – Mein Leben zwischen zwei Kulturen“ hat
er im Oktober persönlich auf der Buchmesse im Frankfurt vorgestellt.
Dass der Mann mit dem runden, sehr freundlichen Gesicht so zuversichtlich und lebenslustig geblieben ist, scheint eines dieser kleinen Wunder zu sein, die
das Leben trotz aller Härten bieten kann. „Ja, ich habe ein bewegtes Leben mit Höhen und Tiefen“, sagt Metin Aktay und lächelt. „Wenn du als Moslem geboren wirst und heiratest eine katholische Frau, dann wirst du von deiner Familie ver- stoßen. Was nicht leicht ist“, sagt er. „Bei so einem Druck geht irgendwann jede Ehe zu Bruch und du wirst noch mehr an den Pranger gestellt. Und da meine jetzige Frau auch katholisch ist, wurde es noch schlimmer.“ Sehr viel Ablehnung – ja sogar Hass – die oft genug aus der eigenen Familie kam, hat Metin Aktay aushalten müssen. „Eigentlich kann ich sagen, dass ich das Glück habe, nicht erschossen worden zu sein.“ Die Worte hören sich dramatisch an, aber das Leben von
Aktay hat wirklich dramatisches an sich. Nicht nur mit der Familie hat er gebrochen. Noch immer nennen ihn manche Türken einen „Verräter“. Metin, der Mann aus Sinsheim, der in Hoffenheim aufwuchs, ist ihnen zu deutsch.
„Ich bin nicht den Weg gegangen, den meine Eltern für mich vorgesehen hatten. Das war für mich sehr schwierig, aber ich habe es trotzdem durchgezogen und mir ein Fundament aufgebaut, wodurch ich jetzt keine Probleme mehr habe“, erklärt Aktay. Die jahrelange Ausgrenzung der türkischen Landsleute, als er aber auch noch nicht so gut in die deutsche Gesellschaft integriert war wie heute, haben ihn nach 2009 einige Jahre in eine Depression geführt. „Es gibt ein Sprichwort von Bob Marley. Das heißt: ‚Wenn das Herz voll ist, läuft der Mund über.’ Mehrere Leute haben mir wegen meiner Prob-
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