Page 64 - Spielfeld_Oktober_2017
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 Schnell wieder am Ball: Nicole Billa schaffte nach ihrer Verletzung das rasche Comeback.
Der Auftaktsieg sorgte bei den Österreicherinnen für die erste Welle der Euphorie. Selbstbewusst, konzentriert und mit einem ausgeklügelten Matchplan präsentierte sich das Team von Trainer Dominik Thalhammer auch im zweiten EM-Spiel gegen Frankreich. Der Titel-Favorit biss sich beim 0:0 gegen den EM-Debütanten die Zähne aus. Die zweite Welle der Euphorie. „Man kann gar nicht in Worte fassen, was da abgegangen ist“, sagt Billa – immer noch ein wenig ungläubig. Zum Einzug ins Viertelfinale fehlte nur noch ein Punkt, die Österreicherinnen holten drei und damit den Gruppensieg. „Wenn mir das jemand vor der EM gesagt hätte, hätte ich ihn für einen Spinner gehal- ten“, freute sich die Hoffenheimerin nach dem 3:0 gegen Island.
Im Viertelfinale gegen die hochgehandelten Spanierinnen waren in 120 Minuten keine Tore gefallen und das Elfmeterschießen musste die Entscheidung bringen. „Meine Mitspielerinnen sind mit einem Lächeln zum Punkt gelaufen“, so die Angreiferin. „Wir wussten, dass wir auch diese Aufgabe meistern würden. Mit unserer Sportpsychologin, die uns schon jahrelang begleitet, sind wir solche Situationen wieder und wieder durchgegan- gen.“ Österreich verwandelte fünf Elfmeter souverän, und weil Torhüterin Manuela Zinsberger gegen Meseguer hielt, feierte Billa mit ihren Teamkolleginnen den Einzug ins Halbfinale.
Nicole und ihre Mitspielerinnen legten bei der EM eine Leiden- schaft an den Tag, mit der sie für Begeisterung sorgten. In einem Land, in dem der Frauenfußball bis dahin kaum eine Rolle gespielt hatte, verfolgten plötzlich abertausende Menschen die Spiele des Nationalteams im Fernsehen oder reisten kurzerhand in die Niederlande. „Wir haben über die sozialen Medien schon mitbekommen, dass der Zuspruch groß war“, erzählt Nicole Billa. „Aber erst als wir hörten, dass das Halbfinale live auf dem Wiener Rathausplatz übertragen werden sollte, merkten wir, wie viele wir mitgerissen hatten.“
12.000 Menschen strömten am 3. August zum Public Viewing in Austrias Hauptstadt. Gegner war Dänemark, das im Viertelfinale Titelverteidiger Deutschland aus dem Turnier geworfen hatten. Bereits in der 13. Minute deutete sich an, dass die Nervenstärke der Österreicherinnen ins Wanken geraten war. Nach einem Handspiel der Däninnen trat Sarah Puntigam zum Elfmeter an, jagte den Ball aber über die Latte. Die Partie, die ab der 39. Minute ohne die verletzte „Nici“ stattfand, ging erneut in die Verlängerung und schließlich ins Elfmeterschießen.
Während im Viertelfinale alle fünf Österreicherinnen sicher verwandelten, brachten die EM-Debütantinnen gegen Dänemark keinen einzigen Schuss im Tor unter. „Der Abend war schon sehr bitter“, gibt Billa zu. „Das Finale so knapp zu verpassen, ist eine riesige Enttäuschung.“ Als die angehende Erzieherin nach Untersuchungen im Krankenhaus noch am Abend wieder zur Mannschaft stieß, war die gute Laune jedoch bereits zurück- gekehrt. „Wir haben die positiven Emotionen mitgenommen und das gefeiert, was wir erreicht und womit vorher niemand gerechnet hatte.“ Viele Fans freuten sich einen Tag später mit Nicole Billa und ihren Teamkolleginnen beim Empfang in Wien. „Es war sehr bewegend“, so die TSG- Spielerin. „Die Erlebnisse bei der EM waren wie ein Traum. Solche Momente sind einfach unvergesslich.“
Die Anerkennung des Frauenfußballs in Österreich ist deutlich gewachsen. „Wir müssen auf jeden Fall dranbleiben und die Euphorie nutzen“, so Billa. „Das nächste Ziel ist die WM-Qua- lifikation.“ Das Selbstbewusstsein, das sie aus den Erfolgen und der neuen Aufmerksamkeit in ihrer Heimat gewonnen hat, will sie nun auch bei der TSG einbringen, auch wenn ihr der Schritt in den Alltag anfangs doch sehr schwer gefallen ist. „Der Fuß macht keine Probleme mehr, jetzt will ich wieder voll angreifen.“
Echter Hype: Nicole Billa und die österreichischen Fußballfrauen erlebten während der erfolgreichen EM ungeahnten Zuspruch.
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