Page 15 - Spielfeld_Dezember_2016
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                 Glaubst du, dass Du polarisierst, weil heutzutage die meisten Fußballer bemüht sind, nichts mehr zu sagen? „Das glaube ich schon. Es gibt dafür viele Spieler, die sich bei Social Media als coole Typen mit dicken Autos präsen- tieren und auf dem Platz weiche Knie bekommen. Das ist mir suspekt. Aber so leben wir jetzt. Bei mir ist es halt eher andersrum. Ich war schon in meiner Jugend eher forsch und habe mich nicht großartig verändert. Aber das hat was mit meiner Erziehung zu tun, in meiner bayerischen Heimat- region sind viele so wie ich. Es ist Teil der Erziehung, dass man sich nicht verstellt. Ich mache mir keine Gedanken, wie es ankommt. Wenn ich von morgens bis abends über die Meinungen anderer nachdenken und hoffen würde, überall gut anzukommen, wäre ich nicht mehr derselbe.“
Ist die mediale Entwicklung mit den zunehmenden Einflüssen von außen auch gefährlich?
„Wenn du in der Öffentlichkeit stehst und jede Meinung wichtig ist, dann zerfleischt es dich. Und es gibt auch viele Profis, die sich das sehr zu Herzen nehmen und damit nicht zurechtkommen. Man merkt in der Bundesliga: Da sind viele, die stehen auf dem Feld im Rampenlicht und man denkt: Denen geht es super. Aber privat haben sie einen Knacks. So war ich aber nie und darum bin ich froh, dass ich meinen Weg so gehe.“
Bist Du froh, dass es in Deinen ersten Profi-Jahre die sozialen Netzwerke noch nicht gab? Sie bergen ja auch eine gewisse Fallhöhe...
„Auf jeden Fall, ich war nie der Typ dafür. Das soll nicht heißen, dass ich altmodisch bin. Aber die ganze Zeit Sachen von mir zu posten und fremden Menschen zeigen, was ich tue, ist nicht meins. Außerdem habe ich eine Familie und zwei Kinder. Ich würde auch nie Fotos von ihnen machen und sie veröffentlichen, ohne dass sie es wollen. Das müssen sie später für sich selbst entscheiden, ich finde diese Entwicklung grenzwertig. Aber ich respektiere auch, dass andere Spaß daran haben und sage dazu nur meine Meinung, wenn ich gefragt werde. So wie jetzt.“ (lacht)
Du hast die Bayern-Jugend durchlaufen und es in den Profikader geschafft. Erinnerst Du Dich an die Zeit? „In meinem ersten Bundesligaspiel wurde ich für Miroslav Klose eingewechselt. Das war großartig, die ganzen Erfahrun- gen der Wahnsinn. Aber mittlerweile sehe ich, dass das alles auch nur Menschen sind – auch wenn man im Fernsehen ist und vor 50.000 Fans spielt. Man denkt immer, die wären besonders, aber sie sind ganz normal.“
War es für Dich damals schwer, die Bodenhaftung zu behalten?
„Das war schwierig, dass muss man schon ehrlich sagen. Wenn man es nicht selbst erlebt hat, ist es schwer nachzu- vollziehen: Man verdient plötzlich viel Geld, das ist gar nicht einfach, damit klarzukommen. Es ist zwar positiv, aber für viele schwer, es zu verarbeiten. Und dazu dieses ganze öf- fentliche Interesse, das von einem Moment auf den anderen dein Leben verändert. Mittlerweile ist es für mich normal.
ZWEI TORE IM EM-FINALE 2009
Im Jahr 2009 erlebte Sandro Wagner einen großen Triumph – und hatte sogar maßgeblichen Anteil daran. Der Stürmer gehörte zum Aufgebot der deutschen U21-Mannschaft, die in Schweden den Europameister-Titel gewann. Im Finale siegte die DFB-Auswahl 4:0 gegen England – und der damalige Spieler des MSV Duisburg schoss die Tore zum 3:0 und zum Endstand. Der Gewinn der U21-Europameisterschaft ist für Wagner persönlich zwar „kein so bedeutender Titel“, dennoch hat er seinen Auftritt beim Finale zusammen mit den heutigen Weltmeistern Neuer, Boateng, Höwedes, Khedira, Hummels und Özil noch in bester Erinnerung: „Es war ein Spiel mit besonderer Atmosphäre und tollem Ausgang. Es gab danach unglaublich viele Reaktionen und wir waren alle sehr glücklich und stolz.“
In der heutigen Zeit gilt ein internationaler Titelgewinn im Juniorenbereich als Sprungbrett für die Karriere und als Frei- fahrtschein zu einem Top-Klub, das war damals noch ein wenig anders. „Es war noch nicht ganz so extrem, aber dennoch hat es natürlich geholfen. Ich bin nach dem Turnier zu Werder Bremen gewechselt, das war für mich damals auch ein großer Schritt“, sagt Wagner. Obwohl er im Jahr 2008 bereits zum Meisterkader des FC Bayern München gehört hatte, waren die Erfolge und Karriereschritte für ihn keine Selbstverständ- lichkeit. Im Jugendbereich des FC Bayern hatte es Momente gegeben, in denen die Profi-Karriere ganz weit weg schien: „Ich bin irgendwann schnell gewachsen und hatte körperli- che Probleme. In dieser Zeit saß ich nur auf der Bank. Aber Hermann Gerland und Hermann Hummels haben immer an mich geglaubt und mir eingeimpft, dies auch selbst zu tun.“
Beide durften sich später bestätigt fühlen: Über die zweite Mannschaft schaffte er es in den Profikader des FC Bayern und spielte später für Duisburg, Bremen, Kaiserslautern, Hertha BSC und Darmstadt 98, bevor er in diesem Sommer nach Hoffenheim wechselte.
Die U21-Europameister von 2009:
Tor: Manuel Neuer, Florian Fromlowitz, Tobias Sippel
Abwehr: Andreas Beck, Sebastian Boenisch, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng, Dennis Aogo, Mats Hummels, Daniel Schwaab, Marcel Schmelzer Mittelfeld: Patrick Ebert, Sami Khedira, Mesut Özil, Fabian Johnson, Dennis Grote, Daniel Adlung, Änis Ben-Hatira, Gonzalo Castro
Angriff: Ashkan Dejagah, Marko Marin, Sandro Wagner, Chinedu Ede Trainer: Horst Hrubesch
Profis
  SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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