Page 78 - Spielfeld_August_2016
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 DER VORTURNER
Ralph Kern ist Mannschaftsarzt bei der TSG Hoffenheim. Bevor er Mediziner wurde, war er einer der besten Kunstturner Deutschlands und nahm 1988 an den Olympischen Spielen in Seoul teil. 28 Jahre später ist er als Tippgeber gefragt – Jeremy Toljan und Niklas Süle haben sich beim Zeitzeugen vor der Abreise nach Rio de Janeiro schon einmal über das besondere Olympia-Gefühl informiert.
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Alle vier Jahre blickt die Sportwelt auf ein ganz besonderes Ereignis: Die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele. Der Einmarsch der Athleten zieht Zuschauer auf dem ganzen Planeten in den Bann – und sorgt bei einstigen Teilnehmern auch Jahrzehnte später noch für emotionale Momente.
So auch bei Ralph Ingo Kern. Mittlerweile ist er 49 Jahre alt, einer von zwei Mannschaftsärzten der TSG 1899 Hoffenheim und Inhaber einer Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie in Limburg. Im Jahr 1988 war er einer der besten deutschen Kunstturner, Teilnehmer an den Olympischen Spielen in Seoul und schwer beeindruckt: „Bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einzulaufen war das absolute Highlight, ich bekomme heute noch Gänsehaut.“ Und auch wenn es damals noch keine Smartphones gab, die die magischen Minu- ten für private Erinnerungen aus der Ich-Perspektive sicherten, sind die Erinnerungen klar: „Ich weiß das noch ganz genau und werde es auch nicht vergessen.“
In Südkorea erlebte der Turner des SV Leingarten Mo- mente für die Ewigkeit, die ihn heute noch berühren. „Der Song der Spiele von Seoul war ‚One Moment in Time‘ von der im Jahr 2012 verstorbenen Sängerin Whitney Houston. Wenn ich dieses Lied im Radio höre, sehe ich sofort alles wieder vor mir, das ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt er.
In den vergangenen Wochen hat er auch viel über die Wochen in Seoul nachgedacht, auch ohne Whitney Houston. Denn vor dem Beginn der Spiele in Rio de Janeiro ist er bei der TSG ein gefragter Ratgeber. Niklas Süle und Jeremy Toljan stehen im deutschen Olym- pia-Aufgebot – und haben sich vor der Abreise nach Brasilien Informationen aus erster Hand gesichert. „Ich habe ihnen gesagt, dass man fokussiert bleiben und das ganze Drumherum trotzdem genießen kann. Es ist absolut genial. Das muss man auch als Fußballer mitnehmen, wenn man die Chance bekommt. Das Leben im Olympischen Dorf, die anderen Sportler, Weltstars, das war schon ein Erlebnis. Bei uns im deutschen Team waren damals Steffi Graf und Michael Groß, das war schon etwas Besonderes.“
Kern gehörte bereits seit 1982 dem Nationalteam an und war topfit: Er trainierte sechs Stunden täglich. Das Ergebnis der harten Arbeit ließ sich sehen, Kern hatte einen Körper aus Stahl. Und genoss es, sich zwischen all den anderen Sportlern nicht verschämt verstecken zu müssen. Das Gegenteil war der Fall, wie er mit dem Abstand vieler Jahre lachend erzählt: „Es gab bei den Spielen natürlich einen absoluten Körper- kult. Bei schönem Wetter haben alle Athleten mit freiem Oberkörper trainiert – und in der Halle na- türlich auch. Jeder hat natürlich seine Körperteile zur Schau gestellt, die er für seine Sportart besonders trainiert.“



























































































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