Page 12 - Spielfeld_April_2016
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                „MEINEN KOPF HABE ICH MIR SELBST GESTRICKT“
Oliver Baumann, 25, spielt eine starke Saison und rettete zuletzt die Siege der TSG gegen Wolfsburg und beim HSV. Der Torhüter bleibt im Abstiegskampf konzentriert – und zieht Kraft aus seiner abgeklärten Art. Im SPIELFELD spricht er über Anfeindungen gegnerischer Fans, zerstörte Playstation-Controller und den Wunsch, stürmen zu dürfen.
Oliver, würdest Du Dich selbst als emotionalen Typen bezeichnen?
„Abseits des Platzes bin ich das sicher nicht. Auf dem
Platz schon eher, aber da kommt es auch darauf an, wie das Spiel läuft. Emotionen bringen mir in den Aktionen nichts. Ich muss im Kopf klar sein. Aber wenn wir wie in Stuttgart die Bude voll bekommen oder aber wie gegen Wolfsburg selbst ein geiles Tor schießen, dann schon. Natürlich auch manchmal, um zu versuchen, die Mannschaft mitzureißen oder zu pushen. Das gehört dazu, das braucht man auch mal. Aber in meinen Aktionen versuche ich, sehr kühl zu sein.“
Im Vergleich zu anderen Torhü- tern in der Liga wirkst Du sehr kontrolliert, Du neigst nicht zu ganz großen emotionalen
Ausbrüchen.
„Ich kann das nicht gebrauchen.
Wenn ich emotional werde, bin ich nicht zu 100 Prozent bei der Sache. Wenn ich mal etwas Dampf ablassen muss, bekommt das meist kurz der Pfosten zu spüren. Das war aber früher noch viel schlimmer. Ge- nerell war ich in der Jugend aber schon ähnlich kontrolliert. Ich war nie der Choleriker, der sich auf dem Platz aufspielt. Ich bin auch noch nie vom Platz gef logen. Ich bekomme auch kaum mal Gelb. Wenn der Ball allerdings länger mal weg ist, dann pushe ich mich auch mal selbst. Dann haue ich mir auf den Bauch oder lass einfach einen Schrei los. Das bekommt im Stadion ja keiner mit
Gibt es private Momente, in denen Du mal ausflippst?
„Auf jeden Fall an der Playstation, da habe ich schon öfter Controller an die Wand geknallt. Vor allem in Duellen mit meinem Bruder. Aber ansonsten bin ich zu Hause sehr ruhig. Wahrscheinlich bin ich viel zu wenig emotional. Es würde mir wohl helfen, emotionaler zu sein.“
Also fehlt es Dir doch? Im Spiel ist es Dir ja wichtig, die Emotionen nicht ausbrechen zu lassen.
„Vielleicht hilft es wirklich manchmal, Dinge einfach raus- zulassen. Dann sind sie weg und man trägt sie nicht noch tagelang mit sich rum. Vor ein paar Jahren habe ich mir über die Spiele noch viel mehr Gedanken gemacht, mittlerweile nur noch am Tag nach dem Spiel, dann ist es erledigt.“
Glaubst Du, dass das Profi-Geschäft mit all seinen Einflüssen die Emotionen ein wenig abstumpfen lässt? „Das kann gut sein. Das ist natürlich ein sehr spezielles Ge- schäft, in dem das Menschliche nicht so viel zählt. Es geht nur um Deinen Wert. Für das Team und den Verein. Gut oder nicht gut, das ist entscheidend. Ich glaube schon, dass das Einfluss hat und den ein oder anderen vielleicht auch emotional etwas kälter macht. Man muss es schaffen, den Fußball im Privaten komplett außen vor zu lassen. Da bin ich meiner Freundin sehr dankbar, bei ihr kann ich es und durch sie habe ich gelernt, dass der Fußball zu Hause Nebensache sein soll. Das ist nicht immer einfach bei einer Sache, bei der es um so viel geht und die so viel Zeit in Anspruch nimmt.“
Zu Beginn der Saison hast Du im SPIELFELD gesagt, Deine Stärke wäre Dein Kopf. Ist das noch gültig? „Ja, das hat auch mit Demut zu tun. Ich werde nicht über- heblich, weil ich immer wieder bei null anfange. Ich gehe ins Spiel und möchte alles bestmöglich lösen. Dafür benötige ich einen ausgeruhten Kopf und eine gute Konzentration. Aber keine Emotionen. Die brauche ich wirklich nur, um mich in bestimmten Situationen zu pushen.“
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(lacht).“


















































































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