Page 70 - Spielfeld_Dezember_2015
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                 GESCHICHTSSTUNDE MIT DIETMAR HOPP, TEIL II (1954 - 1972)
LEBERWURST, TANZTEE UND DER AUFSTIEG
Das Urteil fällt rückblickend eindeutig aus: „Wenn man gewusst hätte, wie schlimm es wird, hätte man es wahrscheinlich nicht gemacht.“ So gelassen spricht
Dietmar Hopp heute über die Entscheidung, sich 1972 mit der Gründung der SAP selbständig zu machen. Bereut hat er den Schritt natürlich nie; aber er war ein Wagnis. Absehbar war es ganz sicher nicht für den jugendlichen Dietmar Hopp, der nach der WM 1954 begonnen hatte, bei der TSG Hoffenheim Fußball zu spielen. Die Erlebnisse dort aber haben ihn auch geprägt: „Wir hatten ja nur zwei Altersklassen“, erzählt Hopp amüsiert. Da stand der 14-jährige Bursche plötzlich auch schon mal den groß gewachsenen 18-Jährigen gegenüber. „Das war auch nicht schlecht. Es hat abgehärtet“, lacht Hopp.
Den Umgang mit Enttäuschungen konnte er dabei trainieren. 60 Jahre später blitzen die einzelnen Spiele immer wieder auf. „Wir haben mal mit 0:12 gegen Zuzenhausen verloren. Das war fürchterlich.“ Hopp, der Stürmer, preschte weiter vor, war ein guter Schüler des Wilhelmi-Gymnasiums, außerordentlich begabt in den naturwissenschaftlichen Fächern. So gut, dass er in den letzten zwei Jahren vor dem Abitur Mathe-Nachhilfe gab. „Für zwei Mark die Stunde. Gutes Geld“, sagt Hopp.
Die Sehnsucht nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit, nach beruflichem Erfolg – sie hat ihn getrieben. Zum Abitur gab es ein Buch als Anerkennung für „besondere Leistungen“ im Fach Mathematik. „Das Buch habe ich heute noch“, sagt Hopp. Ehrgeiz bei gleichzeitiger Bodenständigkeit – das hat ihn immer ausgezeichnet. Entsprechend zielgerichtet, strukturiert ging Dietmar Hopp auch die Berufswahl an. Es stand fest, dass es in Richtung Naturwissenschaft gehen sollte. Seine Mutter wünschte sich, dass der junge Dietmar Lehrer werden möge. Oder Pfarrer. Mathematik-Lehrer hätte sich angeboten, sagt der 75-Jährige heute. „Aber es war finanziell nicht aufregend genug.“
Blick in die Hoffenheimer Kirchstraße Ende der 50er Jahre.
Dietmar Hopp, daraus macht er kein Hehl, hatte größere Ziele. „Ich war schon getrieben davon, Geld zu verdienen. Also habe ich geschaut, wo der Bedarf und die Chancen am größten sind.“ Die Wahl fiel auf die Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrich- tentechnik, quasi Vorläufer der Informatik, an der Technischen Universität in Karlsruhe. Die Zeit nach dem Abitur aber wollte er auch in anderer Beziehung sinnvoll nutzen. Also machte Hopp als erstes den Führerschein Klasse 2, damit das Schubkarren schieben auf dem Bau ein Ende nahm. Fortan fuhr er Lkw für den Baustoffhändler – und machte parallel Geld. „Ich habe bei den Fahrten ja immer gesehen, wer noch kein Garagentor hatte“, so Hopp. „Also habe ich denen welche verkauft.“ Jeden Samstagmorgen fuhr er die Baustellen ab. „Da war immer was los. In den Zeiten haben ja alle schwarz gebaut“, lacht Hopp. „Ich habe da viele Klinken geputzt, aber ich war auch ziemlich erfolgreich. Ich weiß auch nicht, warum.“ Der Geschäftsmann steckte längst in ihm.
Doch noch musste er sich gedulden, leistete bei der Magdebur- ger Maschinenfabrik in Sinsheim das obligatorische Praktikum zur Zulassung an der Universität ab. Und ging auf Wunsch der Mutter zur Bundeswehr. „Mein Bruder Rüdiger war gerade ins Studium gegangen“, so Hopp. „Da hat meine Mutter gesagt, dass sie zwei Studenten parallel finanziell nicht durchkriegt.“ Also ging der einsichtige Sohn zum Bund: „Eine Pf lichtübung.“ In Landsberg am Lech machte er im Herbst 1959 seine Grund- ausbildung, die Kompanie bestand nur aus Abiturienten, die zu Reserveoffizieren gemacht werden sollten. Auf Dietmar Hopp mussten sie verzichten. „Ich wollte den Klamauk nicht länger als notwendig machen“, sagt Hopp. Er hatte, wieder einmal, Glück. „Es war ein Jahrhundertsommer. Ich wurde nicht einmal nass.“
Zehn Pfennig pro Zeile bei der RNZ
Im Radio lief Elvis Presley und Bill Haley, Dietmar Hopp war fokussiert. Und verliebt. Ein Freund hatte ihn mitgenommen. Zum Tanztee am Sonntagnachmittag, ins Haus der Jugend in Sinsheim. „Ich hab‘ noch gesagt: Ach nee. Was soll ich da?“ Er ging dann doch mit. Eine weise Entscheidung. Denn dort traf er die junge Anneliese Zeuner. Sie war knapp 16, vier Jahre jünger als Dietmar Hopp. Seither sind die beiden ein Paar, feierten 1967 ihre Hochzeit im Heidelberger Schloss.
All das war nicht klar, als der junge Dietmar Hopp 1960 nach Karlsruhe ging, ein kleines Zimmer bezog. „Es war grausam“, sagt Hopp. „Mir war sofort klar: Da verdiene ich noch irgendwie die 80 Mark, damit ich ins Studentenwohnheim komme.“ Er schaffte es. So wie er immer schon Möglichkeiten gefunden hatte, Geld zu verdienen. Auch als Lokalreporter der Rhein- Neckar-Zeitung, wo er die Familientradition fortsetzte.
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