Page 72 - Spielfeld_Dezember_2015
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                        richten aus dem Rathaus zu verkünden.
 Der „Ausscheller“ Schorsch Herzel,
der in den 50er Jahren durch die Straßen Hoffenheims zog, um die neuesten Nach-
  Sein ältester Bruder Wolfgang, der 1960 tödlich verunglückte, hatte ebenso dort gearbeitet wie Rüdiger, dessen Job er dann direkt übernahm. Zehn Pfennig pro Zeile gab es. Und Dietmar Hopp berichtete über das, was er kriegen konnte. Ratssitzung, Tischtennisverein, Turnfest. „Möglichst viel schreiben“, hieß die Devise.
Und so ging es für den selbstbewussten 20-Jährigen ins Studium, ins Studentenwohnheim. Und am Wochenende heim. Zur Mutter, zur Freundin, zur TSG. Denn der Fußballer, der Mittelstürmer Hopp, wurde gebraucht in Hoffenheim. Mit 17 Jahren war er bereits in die 1. Herren-Mannschaft befördert worden, es war die Zeit, als noch in Naturalien gezahlt wurde – und Dietmar Hopp quasi seine erste Sponsoring-Absprache tätigte. Mit dem Bauern aus der Nachbarschaft, der für jedes Tor von ihm eine Dose Leberwurst auslobte. Und am Sonntagabend steckte Dietmar Hopp die Leberwurst ein – und fuhr ins Studentenwohnheim. „Einmal habe ich drei Dosen mitgebracht. Das gab ein großes Hallo“, lacht er. Teamgeist, Kameradschaft – all das hat er zu schätzen gewusst. Die Triumphe, wenn man den damals bes- seren FC Zuzenhausen („Das war noch echte Rivalität“) nach 0:3-Halbzeitrückstand noch mit 4:3 bezwang, und die großen Niederlagen. Es ist erstaunlich, wie prägend diese frühen Er- fahrungen sind. Dietmar Hopp kann lebhaft davon erzählen, von einzelnen Spielen, sogar von einzelnen Spielszenen und Situationen. Wie jenes Derby, als es für Hoffenheim gegen den Abstieg ging. Der FC Zuzenhausen trat gar nicht erst in Bestbe- setzung an: „Ich hatte fast das Gefühl, dass die uns gewinnen lassen wollten“, erinnert sich Hopp. Am Ende aber verlor die TSG mit 3:5. „Und ich habe ‘nen Elfmeter verschossen.“ Der junge Dietmar Hopp, so könnte man es grotesk formulieren, besiegelte einen Abstieg der TSG Hoffenheim. Welch‘ eine Pointe.
Die Kuba-Krise erreichte die heimische Küche
Es waren die unbeschwerten Momente inmitten des Kalten Krieges, der längst auch Deutschland erreicht hatte. Mit dem Bau der Mauer, mit der Kuba-Krise, welche die Welt in Atem hielt. „Ich kann mich daran erinnern, wie wir bei meinen Eltern in der Küche standen, als im Radio die Durchsage kam, dass eine Sondermeldung folgt“, sagt Dietmar Hopp. „Mein Bruder Rüdiger wurde kreidebleich, wir dachten: Jetzt ist es so weit: Atomkrieg.“ Aber dann kam die Meldung, dass die russischen Kriegsschiffe vor Kuba abgedreht hatten. Die Welt atmete auf. Auch in Hoffenheim.
Und in Karlsruhe, wo sich um Dietmar Hopp längst eine Clique gebildet hatte. Sieben junge Männer, die viele Dinge gemeinsam unternahmen, obgleich sie auf das Studium fokussiert waren. Die Verbindung hat übrigens gehalten. In diesem Jahr trafen sich die Freunde von einst zum 50. Mal. Jahr für Jahr, ununter- brochen. Auch das gehört zu der Disziplin, die Dietmar Hopp schon früh auszeichnete. „Ich war als Student schon darauf fokussiert, möglichst rasch fertig zu werden. Die letzten zwei, drei Jahre habe ich mich ja auch komplett selbst finanziert.“ Mit dem Hochschulabschluss in der Tasche ging es darum, das Wissen zu versilbern. Hopp ging strategisch vor, bewarb sich beim Software-Konzern IBM. „Ich wusste, dass die am besten bezahlen.“ So kam der damals 26-Jährige ins Software-Labor in Schönaich bei Böblingen. Auch fünf Jahrzehnte später schwärmt Hopp von der „tollen Arbeitsatmosphäre“ bei jenem Unternehmen, das damals das Maß aller Computer-Dinge war. Hopp durchlief die 18-monatige Grundausbildung, erinnert sich mit leuchtenden Augen an die jeweils sechswöchigen Lehrgänge. „Der letzte war am Rhein, in der Nähe der Loreley. Da habe ich bestimmt vier Kilo zugenommen“, lacht Hopp. Besenwirtschaften, Hausmacher-Wurst und reichlich Wein. Man ließ es sich gut gehen.
„Es war ein Aha-Erlebnis,
als ich realisierte, dass es jedes Mal
die gleichen Probleme gab.“
DIETMAR HOPP ÜBER SEINE ZEIT ALS BERATER BEI IBM
Nach dem Ende der Ausbildung kam Hopp zur IBM-Außenstelle nach Mannheim ins Großraumbüro, inmitten von 30 Kollegen, programmierte Software für Firmenkunden und war als Berater tätig. Es war nicht die Königsdisziplin, das Kerngeschäft des Computer-Giganten IBM war die sündhaft teure Hardware. „Damit hat IBM das Geld gemacht, die Beratung wurde mehr oder minder dazu geschenkt.“ Doch je öfter Dietmar Hopp in die Betriebe kam, umso mehr beschlich ihn das Gefühl, dass dort ein Schatz vergraben liegen könnte. „Es war ein Aha-Erlebnis, als ich realisierte, dass es jedes Mal die gleichen Probleme gab. Es ging immer darum, die verschiedenen Bereiche zu koordinieren, Prozesse zu verknüpfen: Auftragseingang, Auftragsbearbeitung, Einkauf, Lohnbuchhaltung.“ Schließlich kam Dietmar Hopp im Jahr 1971 in die Faserfabrik des US-Chemieriesen ICI in Östringen, ein Edelkunde der IBM. Der dortige Chef wollte das Order-Processing (Auftragsabwicklung) automatisieren. Der Be- rater Hopp kam, mit einem Assistenten im Schlepptau. Dessen Name: Hasso Plattner. Es war der Beginn eines der imposantesten Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte: die Gründung des Weltkonzerns SAP. Doch das ist eine eigene Geschichte.
TEIL I DER GESCHICHTSSTUNDE: KICKEN, KRIEG UND KAUGUMMI
Die erste Folge der Geschichtsstunde mit Dietmar Hopp stand in der SPIEL- FELD-Ausgabe August. Nachzulesen auf unserer Website: achtzehn99.de
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Dietmar Hopp erinnert sich: KICKEN, KRIEG UND KAUGUMMI

















































































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