Page 57 - Spielfeld_August_2021
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 Wanderweg
Als Kinder wanderten Manfred und Heinz von Hoffenheim aus immer sonntags zu ihrer Großmutter nach Neidenstein. 2012 wurde in Andenken an ihre Vertreibung der acht Kilometer lange Wanderweg „Menachem und Fred“ eingerichtet. Ausgangs- und Endpunkte sind die S-Bahnhöfe der beiden Orte. Im blauen Wanderzeichen stehen die weißen Buch- staben M und F. Auf dem Weg wird auf Kraichgauer Sehenswürdigkeiten und Mahnmale der jüdischen Kultur auf- merksam gemacht.
 Lindwurm, der als damaliger TSG-Fanbeauftragter die Leitung des Projekts innehatte. „Im Verein gab es ein großes Interesse an unserer Tour und der umfangreichen Vorbereitung. Wir haben bei der Organisation große Unterstützung erhalten“, sagte Lindwurm, der am 30. Juni die Tätigkeit bei der TSG beendet hat. Finanziell gefördert wurde die Reise von der Deutschen Fußball Liga.
Neben den Gesprächen mit Menachem waren der Besuch der 1994 eröffneten Gedenkstätte im ehema- ligen Internierungslager und der Lagerfriedhof mit mehr als 1.000 Gräbern die Kernpunkte der Tour – wobei ein Mahnmal niemals das brutale Geschehen von 1940 bis 1945 an selber Stelle wiedergeben kann. Wo direkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein Wald gepflanzt wurde, waren die Internierten damals durch Stacheldraht unter verheerenden Bedingungen eingesperrt. Das Lager Gurs war jedoch nicht mit den Vernichtungslagern wie Auschwitz oder Treblinka zu vergleichen. Ein besonderer historischer Aspekt ist allerdings, dass die Juden in Baden schon im Herbst 1940 deportiert wurden – also vor der Wannsee- konferenz 1942, auf der die NS-Führung den Holocaust im Detail organisierte.
SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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Die TSG-Fans nahmen während der Reise an einem Workshop teil.
    So erfuhr die Gruppe, dass Familie Mayer bei den November-Pogromen 1938 („Reichskristallnacht“) in Hoffenheim Grässliches erleben musste, als die Einrichtung ihrer Wohnung öffentlich verbrannt wurde. Heinz und Manfred hatten schon 1937 die Schule in Hoffenheim verlassen müssen, der Vater verlor seinen Beruf, die Schikanen wurden immer furchtbarer. „Ich wurde ständig schikaniert und verprügelt. Ich lernte wegzulaufen, mich zu verstecken und den Steinen auszuweichen, die nach mir geworfen wurden“, erzählte Menachem im 2007 veröffentlichten Film. Nie sei ein Erwachsener eingeschritten, obwohl es viele mitbekamen.
Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte im Kraichgau im Zusammenhang mit der Erinne- rungstour hat viele TSG-Fans tief betroffen gemacht. In der Reisegruppe entstand, 1.300 Kilometer von Sinsheim entfernt, ein großer Zusammenhalt. Ein gutes Beispiel dafür, dass die Verbindung zur TSG mehr bedeuten kann als der Arenabesuch. „Die Fanarbeit der TSG geht weit über die Kurve im Stadion hinaus. Wir haben es mit dem Leuchtturmprojekt dieser Gurs-Reise geschafft, bildungspolitische Arbeit in die Fanbetreuung zu integrieren“, erklärte Carsten


























































































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