Page 110 - Spielfeld_September_2020
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   nter Uns
HEUTE: UNTERWEGS IM LAND
Heinz und Hermann sind Freunde. Sagen sie zumindest. Dabei sind sie selten einer Meinung. So diskutieren sie lieber eifrig über die wichtigen Dinge – Fußball zum Beispiel.
 Hermann:
Heinz: Hermann:
Heinz:
Hermann:
Heinz: Hermann:
Heinz:
Hermann:
Heinz:
Hermann:
Heinz: Hermann:
Sag’ mal Heinz, mal nur unter uns Pastorentöchtern: Wann bist Du denn zuletzt geflogen?
1969, von der Schule. Wieso?
(verzieht das Gesicht) Also den Urlaub immer schön zu Hause auf Balkonien verbracht. Hast Du Flugangst?
Nee, aber ich bin ein Kind der 60er. Kühlschrank aufs Dach und ab nach Italien. Amore mio. Im Käfer stand uns die Welt offen. Herrliche Zeiten.
Du schwärmst ja richtig. Damals aber nach 20 Stunden mit Bandscheibenvorfall in Apulien wieder aus dem Auto geschält.
Ach was, ich bin doch kein hoch- gezüchteter Nationalspieler. (lacht)
Du musst Dir um Deine Fitness ja auch keine Sorgen machen. Bist Du mal drei Stunden mit dem Bus gefahren?
Zuletzt fünf Stunden mit dem TSG-Fanbus nach Schalke. Und wieder fünf zurück. 1:1, Baumi trifft. Super Stimmung, fast ausverkaufte Arena, ein großartiger Tag.
Bekomme ja fast ‘ne Gänsehaut. Wobei: 60.000 Menschen in der Turnhalle – das klingt in der Rückschau auch nach Superspreader-Event, Ischgl im Revier sozusagen.
Es ist meine letzte Erinnerung an das, was ich Leben nenne. Danach bestand das Leben im Jahr 2020 hier ja nur noch aus Covid-19.
Kommt immer drauf an, was für Dich „hier“ ist. In Waldhilsbach gehen die Corona Uhren eben anders als in Zwickau.
Zum Glück. Ich gehöre ja zur Risikogruppe.
Dafür hättest Du nicht mal 60 werden müssen. (lacht)
Heinz:
Hermann: Heinz:
Hermann: Heinz:
Hermann:
Heinz:
Hermann:
Heinz: Hermann:
Heinz:
Aber es ist natürlich seltsam, dass ich in unserer modernen PreZero Arena vermutlich erst mal kein TSG-Spiel sehen kann, während in Chemnitz knapp 5000 Menschen in dem, nun ja, mäßig hippen Stadion an der Gellertstraße zugelassen sind.
Man nennt es Föderalismus, Heinz. Eine wichtige Errungenschaft nach dem Krieg.
Sag das mal dem Virus, Hermann. Damit er weiß, dass er die Landesgrenzen auch nicht überschreiten darf. (schlägt die Hände über dem Kopf zusammen)
Das Virus braucht ein Visum. (lacht bitter) Ich weiß, was Du meinst. Aber es gibt ja nun mal Unterschiede.
Schon mal was von Wettbewerbs- verzerrung gehört? Das ist doch alles eine Farce. Bei Paris Saint-Germain wird jede Stunde einer aus dem Verkehr gezogen und die Truppe spielt trotzdem.
Jetzt reg’ dich nicht so auf, Heinz. Ich
bin froh, dass überhaupt wieder Fußball gespielt wird. Was soll ich denn sonst am Samstag machen?
Mit dem Auto zum Shoppen und Urlauben nach Holland. Da brauchst Du nicht mal ‘ne Maske.
Bei denen wächst eben schnell Gras über die Sache.
Hä?
Lass gut sein: Prost. (hebt das Glas) Das ist mit Abstand das Beste, was wir im Moment tun können.
Prost. Auf das Leben.
    Bildquelle: www.gettyimages.de, Max2611, Creativ Studio Heinemann, Dmitr1ch, kyoshino, TARIK KIZILKAYA.


















































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