Page 62 - Spielfeld_Dezember_2019
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„Frauenfußball ist immer noch ein Stück weit ver- pönt. Wer sich mal die ätzenden Kommentare bei Social Media oder zu Frauenspielen anguckt, wird sehen: Da ist die Gleichberechtigung noch sehr weit entfernt.“ Es ist nicht als schneidender Vorwurf formuliert, eher eine achselzuckende Erkenntnis. Sie kennt die Sprüche ja, seit sie selbst als junges Mädchen immer bei den Jungs mitkickte.
In diese Zeit fällt auch das Suchen und Finden des persönlichen Vorbildes, und nach einer hal- ben Stunde mit Tabea Waßmuth kann niemanden ihre Wahl verwundern: „Miroslav Klose fand ich immer inspirierend“, sagt Waßmuth. „Ich war Fan, auch von seiner Art. Er spielte einfach Fußball, ohne jede weitere Attitüde.“ Und so wie Klose, der spätere WM-Rekordtorschütze mit 20 Jahren als Zimmermannsgeselle noch keinen Gedanken an eine Weltkarriere verschwendete, ahnte Waßmuth im Jahr 2015 ebenso wenig, was sie erwartete, als sie das Studium der Psychologie an der Universität Mannheim aufnahm. Seither ist parallel der Trai- ningsaufwand immens gewachsen, vier Abend-Ein- heiten mit dem Team, dazu einmal morgendliches Krafttraining sowie individuelle Einheiten. Sie hat es alles bewältigt, mit Disziplin, Leidenschaft – und viel Freude. Im Juni nächsten Jahres wird sie das Studium voraussichtlich beenden, sich entweder weiter zur Therapeutin ausbilden lassen oder in die
Neuro-Psychologie einsteigen, sich mit Themen wie Rehabilitation nach Hirntraumata oder Schlaganfall beschäftigen.
Wenn nicht plötzlich der sportliche Erfolg dazwischen kommt. Denn nach der erstmaligen Nominierung durch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg für die DFB-Partien im Oktober blinkt plötzlich die Leuchtreklame mit dem Titel „Nationalmannschaft“ vor den strahlenden Augen der jungen Frau. „Da kommen schon noch mal andere Gedanken, wenn die Bundestrainerin anruft. Wenn man mal bei der DFB-Elf dabei war, will man natürlich wieder hin. Da fängt man schon mal an zu überlegen, welche Reihenfolge gelten muss. Ob der Sport jetzt nicht das klare Prä haben sollte.“ Die Antwort ist offen. Nur eines steht für Tabea Waßmuth bereits fest: „Ich habe nicht vor, mit Mitte 30 noch Fußball zu spielen. Dann sind andere Themen dran.“
Der Weg ins Familiäre, die kleinste gesellschaftliche Zelle: Tabea Waßmuth, diese fröhliche junge Frau, kann dem durchaus einiges abgewinnen. Sie muss nicht grell ausgeleuchtet werden, möchte gar nicht immer auf die große Bühne geschoben oder zum Instagram-Influencer gepimpt werden. Sie wünsch- te sich nur ein wenig Anerkennung – für sich, die Mitspielerinnen bei der TSG und den Frauenfußball insgesamt. Es ist nicht zu viel verlangt.
  „Miroslav Klose fand ich immer inspirierend.“
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