Page 68 - Spielfeld_Dezember_2016
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„TSG HOFFENHEIM? DA GEHT WAS!“
Der gebürtige Walldürner Rolf Miller verfolgt die Entwicklung der TSG genau – mit den Augen eines Fußballfans und denen eines Kabarettisten. Ein Gespräch über Hoffenheim, Heimat und Humor.
Herr Miller, Fußball ist fester Bestandteil Ihres Bühnenprogramms. Kicken und Kabarett – geht das zusammen?
„Über Fußball, das Spiel an sich, kann man natürlich kein Kabarett machen, aber über alles, was sich drumherum abspielt: das Getue von Ronaldo, Thomas Müller, der nicht trifft. Potenzielle Feindbilder gibt es ja genügend (grinst). Ich verfolge das schon genau. Fußball ist inzwischen ein Politikum geworden. Jogi Löw hat bei wichtigen Turnieren ja Bundes- kanzlercharakter. Und dann kannst Du auch Kanzlerkritik üben. Irgendwie hat sich die nationale Identitätsfindung ein bisschen in den Sport verlagert. Deshalb bin ich in gewisser Weise sogar politisch, wenn ich den Fußball in mein Programm einbaue.“
Sie haben früher selbst Fußball gespielt. Auf welcher Position?
„Außer Torwart habe ich alles gespielt, manchmal auch die 10. An guten Tagen war das Landes- liganiveau – allerdings in der Bezirksklasse (lächelt). Ich habe damals von einer Profikarriere geträumt und sehr lange geglaubt, dass ich es schaffen kann. Bis 23. Völliger Realitätsverlust. Als Kind ist Verkennung ja ein Geschenk.“
Wo haben Sie gespielt?
„In meinem Heimatort Walldürn und in Hard- heim (zwei benachbarte Gemeinden am nordöst- lichen Rand des Neckar-Odenwald-Kreises; Anmerkung d. Red.). Da habe ich das Kämpfen gelernt. Ich kann mich noch gut an eine Saison erinnern: Wir hatten die ersten sieben Spiele verloren, haben erst am allerletzten Spieltag das Tabellenende verlassen und konnten den Abstieg verhindern. 30 Spiele haben wir durchgefightet, nie aufgegeben. Und am letzten Spieltag wurden wir dann belohnt. Das war eine ganz wichtige Lektion für mich. Verliere nie den Glauben an
dich. Das war Rettung in letzter Minute – ein bisschen wie 2013, als Hoffenheim am letzten Spieltag beim BVB gewann und es so in die Relegation schaffte.“
Sie sprechen die TSG an – beim Spiel gegen Ingolstadt haben Sie in der Pause ja sogar für Sky Spielszenen kommentiert. Sind Sie öfter im Stadion?
„Ich schaffe es leider nur selten ins Stadion, ich habe ja 150 Auftritte im Jahr und lebe – wenn ich denn mal Zuhause bin – in Stuttgart. Mein Cousin verpasst kein Heimspiel und meine Mutter ist auch öfter im Stadion. Die Stimmung dort finde ich super. Das ist mir fast sympathischer als in diesen riesigen Stadien. Das ist, wie wenn ich Kabarett spiele: Klar, eine Tausender-Halle ist toll, aber die richtig geilen Auftritte sind oft die vor 200 Leuten – die Atmosphäre ist dichter.“
Haben Sie die Entwicklung der TSG verfolgt?
„Natürlich! Der anfängliche Offensivfußball war sensationell. Aber wie kann man dann nach der Herbstmeisterschaft nur so eine schlechte Rückrunde spielen? Jetzt sind die Jungs wieder sehr stark. Hoffenheims Spitze kann richtig Druck machen. Wenn dann noch so ein Hüne wie Süle mit nach vorne kommt, wie beim Spiel gegen Hertha BSC – da geht was! Man muss schauen, ob sie das jetzt konservieren können. Was passiert, wenn Julian Nagelsmann als Trainer die erste Krise erlebt? Wie kommen sie da wieder raus? Wie beständig ist der Verein? Das ist wahnsinnig interessant. Viel spannender als diese immer wiederkehrenden Diskussionen um die wirtschaftliche Situation des Vereins. Diese Kritik ist scheinheilig.“
Inwiefern?
„Der Euro von Adidas, Telekom, Audi oder Gazprom ist ge- nauso weich oder hart wie andere Sponsorengelder. Warum soll ich mich bei Hoffenheim mehr aufregen als bei Schalke? Lächerlich! Und trotzdem freue ich mich und bin schadenfroh, wenn Leicester den Cup holt. Ich finde, man kann beides befürworten. Letztendlich kommt es doch darauf an, was für eine Auf bauarbeit geleistet und wie trainiert wird. Red Bull hin oder her, sportlich arbeitet Leipzig gut. Das muss man anerkennen. Und kaum einer von uns hat die Spieler vorher gekannt.“



















































































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