Page 27 - Spielfeld_November_2016
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                 DER SCHÜTZENKÖNIG AUS DEM KOHLENPOTT
Seit dieser Saison spielt Kerem Demirbay für die TSG Hoffenheim und genießt das Leben
in seinem neuen Wohnort Mannheim. Der 23-Jährige zeigte in der vergangenen Spielzeit herausragende Leistungen für den Zweitligisten Düsseldorf – und will sich nun in der Bundesliga durchsetzen. Das Ziel steckte er sich als Teenager und erlangte in seiner Heimat Gelsenkirchen sehr schnell regionale Berühmtheit.
K erem Demirbay aus Herten ist ein heimatverbundener Typ. Und so lautete das Motto der Wohnungs-
suche nach seinem Wechsel zur TSG in etwa: „Man kann Kerem aus dem Koh- lenpott holen, den Pott aber nicht aus Kerem.“ Die Wahl fiel auf Mannheim, für ihn quasi der Kohlenpott der Kurpfalz. Die Stadt hat einen speziellen Charme, den nur nicht jeder sofort erkennt. Als Experte für Städte mit besonderen Vorzügen war Demirbay aber schnell überzeugt: „Die Stadt ist multikulti, es ist viel los und laut – so wie bei mir im Revier. Ich bin gern draußen und habe keine Berührungsängste oder Probleme, mich mit anderen Menschen zu unterhalten. Respekt und Ehre sind sehr wichtig für mich und wurden mir in meiner Kindheit beigebracht. Darum bin ich zu jedem freundlich, der zu mir freundlich ist.“
Aufgewachsen ist der 23-Jährige in Gel- senkirchen-Buer, Essen und Oberhausen. Demirbay ist sozusagen seit Kindestagen ein Liebhaber jener Regionen geworden, in denen sich Stadtleben und Industrie vermählen. Bei der Wohnungssuche hat er auch an seine Freunde und die Fami- lie gedacht, fern der Heimat sollen sie sich heimisch fühlen. Auf das Land zu ziehen, kam für ihn niemals in Frage. „Die Leute sind bei uns zu Hause ja ein bisschen offener als hier. Wenn ich Be- such habe, sollen alle die Zeit genießen und niemand soll sich verloren fühlen.“ Demirbay selbst genießt die Zeit in der neuen Heimat, zu der für ihn natürlich
auch der Kraichgau zählt. Das Trainings- gelände in Zuzenhausen, der Ursprung des Klubs in Hoffenheim und die Arena in Sinsheim – der Mittelfeldspieler hat die Region kennen und schätzen gelernt. Nach rund drei Monaten bei der TSG fühlt sich Demirbay auch östlich von Mannheim „zu Hause“: „Ich habe meine Wohnung und meinen Job, bin in der Mannschaft angekommen und kann mich nur noch auf mein Spiel konzentrieren. Das ist ein gutes Gefühl und sehr wichtig für mich.“
„Julian Draxler und ich haben in der Jugend alles zerstört. Das war
eine super Zeit."
KEREM DEMIRBAY
Die Fokussierung auf den Fußball ist der Grundstein für die gute Form. Der Neuzugang lässt keinen Zweifel daran, dass in den Trainingseinheiten unter Julian Nagelsmann der Kopf ebenso ausgeruht sein muss wie der Körper. Der Konkurrenzkampf ist groß, das Training anspruchsvoll. Aber Demirbay genießt den Wettkampf, die Herausforderung und die Highlights an den Wochenenden. Er hat lange warten müssen, bis er sich in der Bundesliga durchsetzte und sich so seinen Kindheitstraum erfüllte.
Geld verdiente Demirbay dabei schon früh mit dem Fußballspielen – in den
jährlichen Urlauben in der Türkei. Als Teenager war er regelmäßiger Gast auf der Kirmes in der Stadt Devrek, in der er mittlerweile einen Brunnen bauen ließ und regelmäßig Schuhe und Bälle spendet. Als kleiner Junge bot die Hei- mat seiner Eltern in der türkischen Provinz Zonguldak am Schwarzen Meer eine ganz besondere Attraktion: ein etwas anderes Fußball-Wettschießen. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den frühen Heldentaten. „Da stand ein kleiner Junge in einem riesigen Tor aus Holz, bestimmt 17 Meter breit und 20 Meter hoch. Es war eigentlich unmög- lich, nicht zu treffen. Obwohl die an- gekündigten 11 Meter mindestens 35 Meter waren.“ Pause. Dermirbay lacht. Den Kopf leicht angewinkelt, den Blick zur Decke gerichtet, sprudelt es dann wieder aus ihm heraus. „Das war völlig abgefahren. Man hat umgerechnet zwei Euro für drei Schüsse bezahlt. Und wenn man drei Mal getroffen hat, bekam man fünf Euro oder eine Schachtel Kippen. Als Zwölf jähriger habe ich da schon gewonnen, und mit 17, 18 immer noch teilgenommen und geschossen.“ Doch dann war der Spaß plötzlich vorbei. Der Stammgast erhielt Spiel- verbot. „Der Besitzer wurde irgendwann sauer. Sie hatten doch schon statt eines Lederballs einen f latternden Plastikball verwendet. Da ich immer noch getrof- fen habe, hat er dann zu mir gesagt: ‚Du schießt hier nicht mehr, geh‘ weg.‘ Der war richtig sauer. Dabei habe ich mein Preisgeld immer dem kleinen Torwart geschenkt.“
SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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Profis
 


















































































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