Page 42 - Spielfeld_September_2015
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 FRÜHSTÜCK IM MUSEUM
Am Anfang stand, im doppelten Wortsinne, ein Be- dürfnis. Wenn Emil Vetter die Tür seines Kiosks öffnet, zeigt er auf das Gelände des Zuzenhausener Angelsportvereins: „So fing alles an.“ Wenn die Zuschau-
er oder Fans, die den Hoffenheimer Kickern damals beim Training zuschauten, ein dringendes Bedürfnis ereilte, er- ledigten sie das im Gebüsch der benachbarten Angler. „Ver- ständlicherweise beschwerte sich der Verein über die Wild- pinkler“, sagt Emil Vetter, „also machte ich den Vorschlag, in dem ungenutzten Gebäude einen Kiosk zu eröffnen.“ Die Verantwortlichen des Vereins fanden die Idee gut. Die Ang- ler vermutlich auch. Vetter und die Fans füllten den Raum langsam mit Leben und vor allem: mit Wimpeln. „Die be- komme ich immer von Zeugwart Heinz Seyfert. Jeder darf was mitbringen, wir hängen eigentlich alles auf.“ Neben den Wimpeln hängen die Wände voller Fotos, Trikots, Schals, Zeitungsartikel und anderer Erinnerungen.
Willkommen in „Emils Fankiosk“ – dem Treffpunkt für Fußballfans direkt am Zuzenhausener Trainingszentrum. Eine Stunde vor dem Mannschaftstraining öffnet er seinen Kiosk, seit Juli 2013. Während der Saison in der Regel drei Mal pro Woche. Sonntagmorgens ist „Emils Kiosk“ grund- sätzlich geöffnet, viele Gäste kommen zum Frühstück. Ge- meinsam mit seiner Frau Brigitte kümmert sich der 66-Jäh- rige um den Kiosk, an dem alles diskutiert wird von den selbst ernannten Experten: die Einkaufspolitik des Clubs, die Form, Wechselgerüchte, das Wetter, das gestrige Spiel. Vetter ist mittendrin – sogar, wenn er hinter der Theke steht, um Kaffee und Bockwürste zu verkaufen. So war es im TSG-Kosmos schon immer.
Er war der erste Fan-Trommler der Hoffenheimer. Von
1998 an hämmerte er sein Team nach vorne – bis in die Zweite Liga. Er und Horst Becker. „Der hatte ab und zu noch eine Trompete dabei. Anfangs waren kaum Fans da, aber irgendwie musst Du ja anfangen.“ Damals wurde er von der Presse gefragt, was er sich wünsche. „100 Fans, die hinter mir stehen“, antwortete er. „Inzwischen sind es Tausen- de“, sagt Vetter heute. Trommeln tut er längst nicht mehr. Auch beim „Zwingerclub“, der erste TSG-Fanclub, den er mit Freunden im Jahr 2001 gründete, ist er nicht mehr aktiv. Dafür hat er unzählige andere Aufgaben: Vetter ist Fanbeauftragter der U23, sorgt bei Spielen der U19 und der Frauenmannschaft für Sicherheit und Ordnung, besetzt die Kasse, kontrolliert sämtliche Sitze der Arena und schaut bei
„Die Wimpel bekomme ich immer von Zeugwart Heinz Seyfert. Jeder darf was mitbringen, wir hängen eigentlich alles auf.“
EMIL VETTER
Bundesligaspielen, dass sich niemand ohne Berechtigung im Innenraum des Stadions auf hält. Das alles macht er neben dem Betrieb seines Kiosks. „Das muss man erstmal unter einen Hut kriegen, aber ich sage immer: Ohne Stress geht nichts.“ Und ohne seine Frau? Vetter schüttelt den Kopf. „Niemals! Sie ist meine bessere Hälfte.“ Und sie ist überall mit dabei. Früher interessierte sie sich nicht für Fußball, irgend- wann habe er sie aber mitgenommen und es habe „Klick“ gemacht. „Inzwischen schimpft sie mehr als ich“, sagt er und schielt in ihre Richtung. Sie hat es nicht gehört.
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