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U23
07.10.2022

Sören Dieckmann: Verteidiger mit Offensivdrang

Mit Sören Dieckmann hat sich die U23 zur Saison 2022/23 einen Akteur gesichert, der trotz seines immer noch niedrigen Fußballeralters bereits viel erlebt hat. Der 26-Jährige klopfte bei Borussia Dortmund an den Erstligakader, spielte in der 2. Liga beim SV Sandhausen, lernte dort aber auch die Schattenseiten des Profifußballs kennen. Im Hoffenheimer Profi-Unterbau steht er für die jungen Akteure auch als Ansprechpartner parat – und kann unter anderem berichten, wie es sich anfühlt, nach Jahren als Angreifer plötzlich zum Abwehrspieler umgeschult zu werden. Unser Porträt.

Als ihm der Ball an diesem Freitagabend im gegnerischen Strafraum vor die Füße fliegt, weiß Sören Dieckmann, was zu tun ist. Schnörkellos verlädt der 26-Jährige den Torhüter und vollendet, als würde er nie etwas anderes tun. Dabei ist Dieckmann eigentlich Linksverteidiger, sein Auftrag ist es in erster Linie also nicht, vorne zu treffen. Dass er aber auch mal den finalen Part in der Offensive erfolgreich ausfüllen kann, so wie in der Partie gegen den FC-Astoria Walldorf am 19. August, verwundert allenfalls auf den ersten Blick. Schließlich hat Dieckmann in seiner Jugend fast ausschließlich als Angreifer gespielt und erst als Erwachsener den Weg ins hintere Positionsdrittel gefunden, nach einer Umschulung im Schnelldurchlauf.

Seit dieser Saison ist Dieckmann als Außenverteidiger eine der Konstanten in der U23 der TSG. Der defensive Neuzugang mit der offensiven Ader hat für seinen Wechsel zu den Blau-Weißen den Regionalligisten SC Fortuna Köln verlassen. „Die Voraussetzungen hier suchen ihresgleichen“, schwärmt Dieckmann nach wenigen Wochen von den Arbeitsbedingungen im Kraichgau, die für ihn ein Hauptgrund für den Wechsel waren.

Die Aussage hat Gewicht, denn mit seinen 26 Jahren hat das in Herdecke geborene „Kind des Ruhrgebiets“ schon einiges gesehen im Profifußball. Dieckmann hat positive Erfahrungen gesammelt, aber auch Rückschläge wegstecken müssen. Nicht zuletzt deswegen bildet er nun – neben Angreifer Nick Proschwitz (35) und Torhüter Dominik Draband (26) – den dritten erfahrenen Baustein im ansonsten durchweg sehr jungen U23-Gebilde in Hoffenheim.

Jugendspieler in Bochum und Dortmund

Bereits als Jugendspieler erlebte Dieckmann im Ruhrgebiet Höhen und Tiefen. Von seinem Heimatverein Tura Rüdinghausen schaffte er als herausstechendes Talent als E-Jugendlicher den Sprung zum VfL Bochum. Dort blieb er bis zur U15, musste den Verein dann aber verlassen. „Meine Entwicklung hat stagniert, allerdings war zu dieser Zeit auch meine Mutter schwerer krank. Andere Dinge wurden wichtiger. Aber zum Glück ist alles gut ausgegangen“, erinnert er sich an die damalige Zeit zurück, die für ihn noch nicht das Ende aller Ambitionen als Fußballer bedeutete: „Ich hatte damals schon viel in den Fußball investiert und wollte weiterhin so hoch spielen wie möglich. Allein der Aufwand, den meine Eltern betrieben hatten, um mich immer nach Bochum ins Training zu bringen, sollte nicht umsonst gewesen sein.“

Er ging einen Umweg, der sich auszahlte. Nach den Stationen TuS Hordel und Eintracht Dortmund vermittelte ihm sein damaliger Trainer Marcel Bieschke ein Probetraining in der U19 von Borussia Dortmund, bei dem Dieckmann überzeugte und es kurz vor dem Eintritt in den Erwachsenenfußball zurück in ein NLZ schaffte.

Besonderes Duell mit Riyad Mahrez

Und nicht nur das: Nach einem Jahr bei den A-Junioren wurde Dieckmann in die U23 übernommen und absolvierte insgesamt 89 Partien in der Regionalliga West für den BVB II, in denen er elf Treffer erzielte. Zusätzlich trainierte er unter Thomas Tuchel, Peter Stöger und Lucien Favre immer mal wieder bei den BVB-Profis mit.

Auf eine USA-Reise im Jahr 2018 mit den BVB-Profis fällt in diese Zeit ein früher Laufbahn-Höhepunkt: Dieckmann kam in den Partien gegen Manchester City (1:0), den Liverpool FC (3:1) und SL Benfica (2:2, Niederlage nach Elfmeterschießen) zum Einsatz. „Das ganze Drumherum dieser Reise werde ich nie vergessen. Sportlich erinnere ich mich insbesondere an das Spiel gegen Manchester City. Marcel Schmelzer hat damals als Linksverteidiger begonnen, Riyad Mahrez war sein Gegenspieler. Es war abgesprochen, dass ich zur zweiten Hälfte reinkomme, und ich war mir sicher, dass Mahrez dann auch ausgewechselt sein wird. Als ich den Platz betrat, stand er mir dann aber doch gegenüber. Mahrez war gerade von Leicester City zu Manchester gewechselt, ein richtiges Brett, und ich wusste, dass das jetzt schwer für mich wird. Aber die Partie ist dann mit dem Sieg doch ganz gut gelaufen.“

Wie auch die komplette USA-Reise für ihn, bei der Dieckmann gegen den Liverpool FC sogar beginnen durfte. Gespräche mit dem damaligen BVB-Sportdirektor Michael Zorc und Favre nährten seine Hoffnungen auf den Sprung nach oben. Die dauerhafte Chance bei den Profis blieb jedoch aus. „Dortmund hat damals noch Achraf Hakimi von Real Madrid geholt, der direkt durch die Decke gegangen ist. Und Marcel Schmelzer war auch noch da. Es war absehbar, dass ich oben keine Chance bekommen würde und etwas anderes probieren musste“, erläutert Dieckmann.

So lief die Umschulung zum Linksverteidiger

Die Umschulung zum Linksverteidiger hatte er damals schon hinter sich. Ein ehemaliger Hoffenheimer Jugendtrainer lieferte die Initialzündung. David Wagner, damals U23-Coach in Dortmund und zwischen 2007 und 2009 für die U17 und U19 der TSG verantwortlich, offenbarte Dieckmann, dass er ihn gerne hinten auf der Außenbahn testen würde. „Ich wusste erst mal nicht, was ich davon halten sollte“, sagt der frühere Offensivmann heute über diesen Schritt. Aufgrund seiner Körpergröße (1,87 Meter) wähnte er sich links hinten eigentlich nicht optimal aufgehoben. „Letztlich war es aber wahrscheinlich die richtige Entscheidung für meine Laufbahn.“

Als Wagner den BVB verließ und ihm der heutige Gladbacher Coach Daniel Farke in der Dortmunder U23 folgte, ließ dieser dann erst recht keinen Zweifel mehr an der neuen Bestimmung aufkommen. „Daniel Farke habe ich sehr viel zu verdanken, er war einer meiner Förderer. Er hat mich erst in einem Freundschaftsspiel in der Innenverteidigung getestet und danach dann in der Regionalliga als Linksverteidiger einfach spielen lassen, Woche für Woche.“ Was simpel klingt, konnte natürlich nur funktionieren, weil sich Dieckmann mit viel Spielverständnis die für ihn neue Position erschloss und so mit der Zeit auf sich aufmerksam machte.

Kein Glück in Sandhausen, neues Vertrauen in Köln

Den Schritt in eine höhere Liga ging Dieckmann im Winter 2019, als er sich dem Zweitligisten SV Sandhausen anschloss, der damals tief im Tabellenkeller der 2. Liga feststeckte. „Ich würde den Wechsel auch heute so noch einmal machen“, sagt der 26-Jährige, wohl wissend, dass sich seine Hoffnungen nicht erfüllten. Zwar startete er in Sandhausen als Stammspieler, kam mit dem Team aber nicht aus dem Keller raus. „Ich hatte keinerlei Zeit, mich an das neue Umfeld und auch an die neue Spielweise zu gewöhnen, denn während wir in Dortmund immer den Ball haben wollten, war das in Sandhausen ganz anders. Nach mehreren Niederlagen musste der Trainer dann irgendetwas ändern und hat sich entschieden, mich rauszunehmen. Danach hatten wir dann das Quäntchen Glück auf unserer Seite, das in den Spielen zuvor teilweise noch gefehlt hatte.“

Während der SVS den Abstieg gerade noch abwenden konnte, fiel Dieckmann für den Rest der Saison 2018/19 mit einer Knieverletzung aus. „Danach habe ich dann einfach keine Chance mehr bekommen. Mein Standing im Verein war komplett weg“, fasst er die weiteren beiden Spielzeiten zusammen, in denen er noch drei Partien in der 2. Liga absolvierte, in der Saison 2020/21 wiederum längere Zeit verletzt passen musste und frühzeitig wusste, dass sein auslaufender Vertrag nicht verlängert wird.

„Mir war danach klar, dass kein Zweit- oder Drittligist bei mir anfragen würde, doch das war zweitrangig. Nach dieser schwierigen Zeit war es mir wichtig, einfach wieder Fußball spielen zu können“, begründet Dieckmann seinen nächsten Schritt, der ihn zu einem Probetraining zu Fortuna Köln in die Regionalliga West führte, das zwei Wochen dauern sollte. „Bereits nach einer Einheit hat mir Trainer Alexander Ende aber gesagt, dass er mich unbedingt verpflichten möchte. Ich habe plötzlich wieder das Vertrauen gespürt, das es in Sandhausen nicht mehr gegeben hatte, und das hat gutgetan.“ Er unterschrieb für ein Jahr und holte sich in 30 Partien jene Matchpraxis zurück, die ihm in den Jahren zuvor gefehlt hatte. Eine Verlängerung mit der Fortuna wäre dementsprechend auch möglich gewesen, „allerdings wollte der Verein bereits sehr früh das Gespräch suchen, was aber nicht meinen Vorstellungen entsprach. Danach fand dann längere Zeit kein Austausch statt.“

In wenigen Minuten zu Fuß zum Training

Derweil erreichte ihn die Anfrage aus Hoffenheim, die Dieckmann überzeugte. Nach zwei Partien als Einwechselspieler zu Beginn der Saison, in denen der mittlerweile zu Greuther Fürth verliehene Marco John aus dem Profikader den Vorzug erhielt, behauptete er seinen Stammplatz, mit aktuell sieben Einsätzen von Beginn nacheinander. Neben seinem Treffer gegen Astoria Walldorf schlagen auch schon zwei Vorlagen zu Buche.

Ferner steht Dieckmann bereit, um seinen jungen Kollegen auch mal mit Rat zur Seite zu stehen, wenn dies gewünscht ist. „Als Typ bin ich so gestrickt, dass ich erst einmal schaue, ob meine Leistung stimmt, bevor ich anfange, anderen Spielern Tipps zu geben. Aber es geht bei uns auf dem Platz auch grundsätzlich darum, dass wir uns gegenseitig unterstützen, und da bin ich mir meiner Rolle als Spieler mit mehr Erfahrung bewusst. Es kann auch schon mal reichen, die Kollegen beim Anlaufen lautstark zu pushen. Der ein oder andere ist aber auch schon auf mich zugekommen und hat mich nach meiner Meinung gefragt. Dafür bin ich immer offen.“

Dieckmann hat die Aufgabe bei der TSG voll angenommen. Er ist nach Zuzenhausen gezogen, kommt zu Fuß zum Training. „Ich bin oft der Erste, der da ist, und der Letzte, der geht“, sagt er und lacht. Wenngleich er auch mit seiner Freizeit auch abseits des Sports etwas anzufangen weiß. Ein Business-Studium hat er nach einigen Semestern zwar auf Eis gelegt, bildet sich aber anderweitig in wirtschaftlichen Themen fort und will auf Sicht auch unternehmerisch tätig sein. An zwei New-Economy-Projekten in den Bereichen Personaldienstleistung und Kontaktbörse arbeitet er verantwortlich mit, sie sollen sich zu einem Standbein neben dem Fußball etablieren. Zudem – wenngleich das eher ein Hobby ist – hat er während seiner verletzungsbedingten Ausfallzeit in Sandhausen einen eigenen Podcast ins Leben gerufen, in dem er mit sportlichen Weggefährten, aber unter anderem auch mit dem früheren Nationalspieler Michael Rummenigge gesprochen hat – insbesondere auch über Themen außerhalb des Fußballs, die einen Profi beschäftigen.

„Wenn ich etwas mache, dann richtig“, sagt der 26-Jährige zu seinen Projekten. Ein Satz, der sich auch auf den Fußballer Sören Dieckmann beziehen lässt. Ganz gleich, ob als Außenverteidiger oder vielleicht auch mal wieder als Angreifer.

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