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SPIELFELD
28.04.2021

The Face of Athletes: Seite an Seite

Die Fotografin Nicole Simon und „Anpfiff ins Leben“ zeigen mit dem inklusiven Charity-Projekt „The Face of Athletes“, dass im Sport letztlich nur die Leidenschaft und der Wille zählen – nicht die körperlichen Voraussetzungen.

Rücken an Rücken stehen sie im Scheinwerferlicht, der Blick nach vorne, voller Entschlossenheit. Nicole Billa und Dorian Rittersbacher vereint die grenzenlose Leidenschaft für den Sport. Dass einer der beiden mit einem Bein auf einer Lauffeder steht, macht keinen Unterschied. Nicole Simon hat das Duo für ein inklusives Fotoprojekt in Szene gesetzt – „The Face of Athletes“ (deutsch: Das Gesicht der Athleten) ist eine Charity-Kampagne für und mit dem Verein „Anpfiff ins Leben“.

„Es ist die Leidenschaft, die einen Sportler definiert. Ob Tausende Fans seinen Namen rufen oder ihn niemand kennt, wie talentiert er ist und woher er kommt – das alles spielt keine Rolle. Nicht einmal, ob er ein oder zwei Beine hat“, sagt die in Mannheim geborene Fotografin. Entstanden sind 15 Einzel- und Paarporträts, die über die Seite www.faceofathletes.de erhältlich sind und deren Einnahmen „Anpfiff ins Leben“ zugutekommen. Die 16 abgebildeten Profi-, Jugend- und Amputiertensportler stehen allesamt in engem Zusammenhang mit dem Verein. „Dorian musste einen harten Schicksalsschlag überwinden, davon merkte man ihm aber nichts an. Und auch Nici ist eine absolute Kämpferin, eine Powerfrau“, sagt Simon.

„Es ist die Leidenschaft, die einen Sportler definiert.“

Rittersbacher erhielt im Sommer 2019 eine Krebsdiagnose. Ein Tumor an seiner rechten Ferse erwies sich nach einer Operation als bösartig. Der Weinheimer sprach mit Onkologen, die wollten den Fuß erhalten. Dazu hätte man allerdings in einer weiteren Operation viel Gewebe entfernen und Haut von der Wade transplantieren müssen. Eine notwendige Bestrahlung hätte außerdem die Sehnen in Mitleidenschaft ziehen können. „Es konnte mir niemand garantieren, dass ich nach dieser OP je wieder joggen kann“, erklärt der 30 Jahre alte Läufer. Sportorthopäden erklärten ihm, dass er durch eine Amputation seines Unterschenkels schneller wieder fit sein und Sport treiben könne. „Es war eine relativ einfache Entscheidung für mich.“

„Schon ein krasser Schritt, aber für ihn war er sicher richtig“, sagt TSG-Stürmerin Nicole Billa. Dass sie beim Fotoprojekt mitmachen würde, war ihr sofort klar, als Christoph Holzenkamp von „Anpfiff ins Leben“ sie kontaktierte. „Ich habe schon öfter den Amputiertenfußballern beim SAP Cup zugeschaut und es hat mich sofort fasziniert, wie sie mit Krücken kicken und was für ein Tempo die Sportler dabei draufkriegen. Wie viel Energie und Leidenschaft sie da reinstecken, ist schon cool“, findet die 25-jährige Österreicherin. Auch Rittersbachers Geschichte beeindruckte sie: „Wie er schon kurz nach so einem Schicksalsschlag bereit war, aufzustehen und weiterzumachen, sich neue Ziele setzte und die auch unbedingt erreichen wollte – das hat mich schon inspiriert.“

Tatsächlich stand Rittersbacher schon schnell nach seiner Amputation wieder auf. Drei Monate nach der Operation bekam er seine Prothese, einen Monat später stellte ihm „Anpfiff ins Leben“ eine Carbon-Lauffeder zur Verfügung, mit der er nach und nach begann zu trainieren. Seine Motivation war ungebrochen: „Ich hatte mir überlegt, auf die Paralympics hinzuarbeiten. Die Zeiten der Läufer wären vielleicht erreichbar, aber dazu braucht es halt enorm viel Training. Mit Corona ist das derzeit ziemlich schwierig.“ Das von „Anpfiff ins Leben“ angebotene Lauftraining kann aktuell nicht  angeboten werden, lediglich einmal pro Woche ein Kräftigungstraining per Videokonferenz.

Rittersbacher macht derzeit eine Stunde pro Tag Sport, Laufen oder Radfahren. Mehr ist neben seinen zwei Kindern und dem Job bei einer Schweizer Bank in Zürich kaum möglich, auch wenn er durch Corona momentan nicht mehr so oft vor Ort ist. Früher machte er täglich zwei oder drei Stunden Sport: Laufen, Klettern, Bergsteigen, oder Triathlon. Für seinen Paralympics-Traum müsste er das Training wieder anziehen. „Aktuell mache ich mir da keinen Druck, aber vorstellen kann ich es mir schon. Und wenn ich mir Ziele setze, bin ich sehr verbissen und ehrgeizig.“ Der unbändige Wille und die Motivation, auch über seine Schmerzgrenze hinaus zu gehen, verbinde ihn auch mit seiner Fotopartnerin Billa.

„Die Entschlossenheit, im Sport und Leben alles zu geben, haben eigentlich alle Sportler gemeinsam.“

„Die beiden harmonierten beim Shooting perfekt“, erzählt Fotografin Simon. „Nici war voller Energie und Tatendrang. Man konnte regelrecht spüren, wie sie auf dem Platz alles gibt, um mit ihrer Mannschaft zu gewinnen. Lebensfreude pur.“ Auch Rittersbacher habe eine unheimlich positive Ausstrahlung. Er erzählte ihr seine Geschichte und dass der Sport Ansporn und Stütze für ihn sei. „Das berührte mich sehr. Seine Lebensfreude ging durch mich hindurch und steckte an. Durch seine innere Haltung und Lebenseinstellung hinterließ er einen sehr besonderen Eindruck. Nach dem Shooting sagte ich mir: ‚Nicole, wenn du noch einmal jammerst, dann schäme dich.‘“

Ob sie Legenden wie Wladimir Klitschko, Lewis Hamilton und Boris Becker oder unbekanntere Sportler mit Handicap ablichtet, macht für die Fotografin keinen Unterschied. „Die Entschlossenheit, im Sport und Leben alles zu geben, haben eigentlich alle Sportler gemeinsam. Sie geben niemals auf, glauben immer an sich.“ Auf die Idee der Kampagne kam Nicole Simon durch Gespräche mit einem Freund, der selbst ein Handicap hat, aber dennoch immer eine positive Grundhaltung habe – für sie, wie auch die Protagonisten von „The Face of Athletes“, ein Vorbild. „Menschen mit Handicap haben leider immer noch sehr große Hürden zu überwinden, auch emotional. Deshalb wollte ich ein Projekt unter dem Motto ,Zusammenhalt statt Ausgrenzung' machen.“

Sie stellte ihre Idee „Anpfiff ins Leben“ vor, gemeinsam entwickelten sie ein Konzept und machten sich an die Umsetzung. Die Shootings, bei dem neben Amputiertensportlern auch Jugend- und Profisportler wie Sebastian Rudy, Maximiliane Rall (TSG-Frauen) oder Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) teilnahmen, fanden noch vor Corona statt, alles weitere musste allerdings verschoben werden. Aktuell ist eine Ausstellung im Mannheimer Modehaus engelhorn geplant, ein genauer Zeitpunkt steht aufgrund der unsicheren Lage jedoch noch nicht fest.

Gerade mal sieben Monate nach der Amputation stand Rittersbacher vor Nicole Simons Hasselblad-Kamera. Mit den Bildern und seiner Geschichte möchte er Menschen Mut machen und ihnen zeigen, dass man auch mit einer Amputation sportlich aktiv sein kann. Das Shooting fand er „enorm spannend und interessant“. Er habe sich lange mit Billa unterhalten und verfolge seither ihre Karriere: „All ihre Torschüsse, die Siege, neue Sponsorenverträge. Ich freue mich, wenn sie Erfolg hat“, sagt er. Auch Billa verfolgt den Amputiertensport weiter: „Ich fände es schon schön, wenn in den Medien mehr als die Paralympics vorkommen würde. Diese Sportler verdienen mehr Präsenz.“ Das sei auch ein Grund, warum sie bei „The Face of Athletes“ mitgemacht habe. „Es ist ein kleiner Schritt, diese beeindruckenden Sportler in der Region etwas bekannter zu machen.“

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