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SPIELFELD
11.09.2017

Hübner: "Wenn der Gegner verzweifelt, macht es Spaß"

Benjamin Hübner hat sich in Hoffenheim nach einem komplizierten Start zum Leistungsträger und Führungsspieler entwickelt. In Spielfeld spricht der 28-Jährige über seinen ungewöhnlichen Werdegang, seine "altmodische" Kunst des Verteidigens und die Wahl zum dritten Kapitän der TSG Hoffenheim.

Du bist im zweiten Jahr bei der TSG, erneut sind viele neue Spieler dazu gekommen. Erinnert dich das an deine ersten Wochen in Hoffenheim?

Benjamin Hübner: Ich habe aufgrund meiner eigenen Erfahrung aus dem Vorjahr die Zugänge besonders beachtet. Ich möchte, dass sich alle gut einleben können, so wurde ich ja auch aufgenommen. Darum hatte ich ein besonderes Augenmerk darauf, wie sie sich verhalten und wie die Mannschaft auf sie wirkt. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich für gewisse Dinge Verständnis aufbringen und auch ein paar Ratschläge geben. Und bei dem ein oder anderen habe ich natürlich schon gemerkt, dass es eine ziemliche Umstellung ist. Unter Julian Nagelsmann zu trainieren, ist eben speziell. Aber die Fragezeichen in den Blicken der Jungs werden weniger, keine Sorge. Ich hatte vor einem Jahr ja anfangs auch einige davon (lacht).

Du bist im Vorjahr erst am 6. Spieltag zum ersten Mal zum Einsatz gekommen und warst davor nicht glücklich mit deiner Situation. Hättest du es für möglich gehalten, dass die Saison für die Mannschaft und dich persönlich noch so eine Wendung nimmt?

Hübner: Es war mein Ziel, mein volles Potenzial auszuschöpfen und zu zeigen, dass ich der Mannschaft helfen kann. Dass ich das kann, wusste ich damals schon. Aber ich wollte natürlich, dass es auch jeder andere weiß und war deshalb am Anfang vielleicht ein bisschen zu verkrampft. Aber es war auch nicht leicht: Ich wollte allen zeigen, was ich kann und war enttäuscht, dass es gefühlt niemand wahrgenommen hat – und zeitweise auch, dass ich das angestrebte Level nicht erreicht habe.

Kratzt es am Selbstvertrauen, auf der Bank zu sitzen?

Hübner: Grundsätzlich tut es das natürlich, aber ich habe nie resigniert, sondern gewusst, dass meine Chance kommen wird und ich sie dann nur nutzen muss. Ich hatte in dieser Phase auch viel Kontakt mit Julian, der mir Signale gegeben hat, dass er auf jeden Fall mit mir rechnet und etwas in mir sieht.

Ist das eine der vielen Qualitäten des Trainers, dass er eine große Gruppe trotz der Konkurrenzsituation bei Laune halten kann? Nach dir sind auch Steven Zuber und Adam Szalai im Saisonverlauf noch durchgestartet…

Hübner: Das war sehr auffällig und genau das ist in meinen Augen definitiv eine Qualität des Trainers. Ich kann ja nur für mich sprechen, aber meiner Meinung nach erhält hier jeder Spieler das Gefühl, ein wichtiger Teil der Mannschaft zu sein und zudem, dass Chancen kommen werden, im Saisonverlauf noch eine ganz wichtige Rolle einnehmen zu können.

Dir ist das eindrucksvoll gelungen, du hast deinen Stammplatz in der Dreierkette nicht mehr hergegeben. Was war dein Highlight der Saison?

Hübner: Eigentlich die Gesamtleistung. Jedes Duell auf dem Niveau zu performen, ist nicht selbstverständlich, ich kann mich kaum an schlechte Spiele erinnern. Darum war die ganze Saison ein Highlight. Ich hoffe, dass wir das in dieser Spielzeit bestätigen können. Und aus persönlicher Sicht war wohl das Kopfballtor zum Sieg gegen Frankfurt eine spezielle Situation. Es war in der Schlussphase einer umkämpften Partie, zudem haben wir durch den Sieg gefühlt die Europapokal-Teilnahme gesichert. Es war deshalb sehr emotional.

Du bist einer der wenigen Profis, die in der Jugend noch auf Aschenplätzen gespielt haben. Nun stehst du in Europacup-Spielen auf dem Rasen. Hast Du deine eigenen Erwartungen jetzt schon übertroffen?

Hübner: Dass es hier so schnell geklappt hat, ist einfach unfassbar. Von so einer Entwicklung träumt man, kann aber nie damit rechnen. Umso schöner ist es natürlich, dass es so gekommen ist.

War es rückblickend für dich persönlich der perfekte Weg, nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden zu sein, sondern bei Wehen-Wiesbaden unter ganz normalen Bedingungen in der zweithöchsten Jugendklasse zu spielen?

Hübner: Nachwuchsleistungszentren waren damals noch kein Standard. In dem Alter wäre das für mich auch nichts gewesen, ich war einfach noch nicht so weit. Aber ich finde es unglaublich, dass es heutzutage in jedem Klub Akademien gibt, die Spieler kommen wirklich hervorragend ausgebildet in den Profibereich, das ist beeindruckend. Aber ich bin froh, dass es bei mir noch anders war. Weil so genug Zeit blieb, meinen Charakter und mein Wesen auch in anderen Dingen weiterzuentwickeln. Es war nicht alles so durchgeplant, so konnte ich mich frei entfalten. Für mich war das sehr wichtig, für andere Spieler ist dafür ein Nachwuchsleistungszentrum wahrscheinlich besser. Man sieht den Erfolg ja hier in Hoffenheim: Man merkt den Jungs an, dass sie einer extrem guten und professionellen Nachwuchsarbeit entstammen und der Verein das Ziel hat, mit Spielern aus der eigenen Jugend in der Bundesliga zu spielen.

Du bist ein harter Zweikämpfer, dein Stil ist eigentlich ein bisschen aus der Mode, reines Verteidigen gilt als altmodisch.

Hübner: Genauso sehe ich das auch. Aber gerade, dass dieser Typ Fußballer vom Aussterben bedroht ist, war eine Chance für mich. So hat sich eine besondere Lücke für mich aufgetan. Für mich als Verteidiger hat es höchste Priorität, dass wir kein Gegentor bekommen. Wenn der Gegner kein Tor schießt und ein Stück weit verzweifelt, macht es mir Spaß und gibt mir Bestätigung. Das versuche ich vorzuleben und ich bin überzeugt, dass es für die Mannschaft sehr wichtig ist.

Du schlägst dennoch nicht jeden Ball nach vorn und rufst "Raus hinten!", sondern hast dich auch spielerisch stark entwickelt.

Hübner: Das Spielerische wird vom Trainer natürlich extrem gefordert und gefördert. Da habe ich große Fortschritte gemacht und das hat mir die vergangene Saison auch erst ermöglicht. Im Gesamtpaket hat mich das zu einem viel besseren Spieler gemacht. Wir spielen enorm viel hinten raus und schlagen kaum mal einen Ball hektisch auf die Tribüne. Da haben wir als Mannschaft insgesamt riesige Fortschritte gemacht haben.

Hast du schon immer in der Abwehr gespielt?

Hübner: Auch ich habe im Sturm angefangen (lacht). In der C-Jugend bin ich dann aber Abwehrspieler geworden und habe schnell festgestellt, dass es für mich der bessere Weg ist und richtig Spaß am Verteidigen entwickelt. Das ist bis heute so geblieben. Dass ich mal jemanden ausgedribbelt habe, ist schon lange her (lacht). Aber ich habe mir schon vorgenommen, bei unseren Standards noch gefährlicher und erfolgreicher zu werden.

In Kevin Vogt spielt ein weiterer Hüne neben dir. Schon im ersten Trainingslager der vergangenen Saison wart ihr auf einem Zimmer, damals beide gerade neu zur TSG gekommen. Nun geht ihr als zweiter und dritter Kapitän in die neue Spielzeit. Helft ihr euch gegenseitig?

Hübner: Auch Kevin hat in meinen Augen eine unglaubliche Entwicklung genommen. Das ist schon besonders: Wir waren damals beide neu, direkt auf einem Zimmer – das hat sich bis heute nicht geändert. Wir haben uns hier beide extrem entwickelt. Von ihm kann ich mir auch viel abschauen, er hat für mich den vielleicht besten Spielaufbau der ganzen Liga. Und so einen Spieler neben sich zu haben, ist einiges wert. Er gibt der Mannschaft Sicherheit, wovon Spieler wie ich sehr profitieren.

Habt ihr in Hoffenheim einen Karrieresprung gemacht?

Hübner: Auf jeden Fall. Auch dadurch, dass wir nun international spielen. Wir sind ja beide hierhergekommen, um einen Schritt nach vorn zu machen. Das ist bislang gelungen und der Weg ist in meinen Augen auch noch nicht vorbei. Es war auf jeden Fall – ich denke, da kann ich auch für Kevin mitsprechen – für uns beide die beste Entscheidung, zur TSG zu wechseln.

Verspürst du ein bisschen Dankbarkeit?

Hübner: Das verspüre ich grundsätzlich immer. Bei allen meinen Stationen. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich machen konnte und das Vertrauen, das ich erhalten habe. Ich glaube aber auch, dass ich das überall zurückgezahlt habe. Ich bin mit allen Vereinen erfolgreich gewesen und danach im Guten auseinandergegangen. Und deswegen bin ich auch der TSG sehr dankbar für die Chance und denke, dass ich das auch zeige.

Was bedeutet dir die Wahl zum dritten Kapitän nach nur einem Jahr in Hoffenheim?

Hübner: Ich war zwar bei Wehen Wiesbaden schon einmal Kapitän, aber das hier ist eine extreme Ehre für mich. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet und versuche natürlich, durch meine Art zu helfen auch eine Führungsrolle einzunehmen. Die Wahl bestärkt mich darin und es freut mich riesig, dass es von der Mannschaft so anerkannt wird. Jetzt will ich die Anforderungen natürlich auch erfüllen.

Nicht nur die Mitspieler sind von dir überzeugt. Dietmar Hopp lobte dich nach der vergangenen Saison ausdrücklich und hob deine Leistung hervor.

Hübner: Das freut mich natürlich ganz besonders. So ein Lob, dazu die Wahl in den Mannschaftsrat – es macht mich einfach stolz, mir dieses Standing erarbeitet zu haben.

Da passt die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2021 natürlich ins Bild …

Hübner: Es gab zwar auch andere Angebote, aber das war für mich ein logischer Schritt. Aufgrund meiner Entwicklung, aber auch aufgrund interner Dinge. Ich habe mich sehr gefreut und bin sehr glücklich hier – nicht nur auf dem Rasen. Ich wohne in Heidelberg, das ist eine wirklich schöne Stadt und ich könnte mir momentan nichts Schöneres vorstellen.

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