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SPIELFELD
07.08.2017

Mit wehenden Fahnen für die TSG

Martin und Monika Odenwald setzen mit ihrem blau-weißen Frachtschiff ein sichtbares Zeichen. Sie sind die wohl leidenschaftlichsten Fußballfans der deutschen Binnenschifffahrt. Die meiste Zeit des Jahres schippert das Paar mit ihrer 86 Meter langen "Schadeck" durch deutsche Gewässer. Doch das Schiff ist weit mehr als ein Frachter, der Kies transportiert: In großen weißen Lettern prangt unterhalb des Steuerhauses die Aufschrift "TSG 1899 Hoffenheim", mittendrin das Wappen aus Aluminium. Den blau-weißen Anstrich verpasste der Kraichgau-Kapitän seinem Schiff bereits vor acht Jahren. Seither repräsentiert es mit wehenden Fahnen den Verein seines Herzens.

Gerade fahren die Odenwalds allerdings "oben ohne", da die Flaggen spätestens nach einem halben Jahr im Wind völlig zerfleddert sind und das auf Dauer dann doch "ins Geld geht". Zudem gebe es auch die richtige Größe nicht mehr. Dafür hängen am Fenster seiner "Brücke" die Miniatur-TSG-Trikots sämtlicher Bundesliga-Jahre. Eigentlich kommt der 51-Jährige aus Neckargemünd, seine Frau aus Eschelbach, doch Monika Odenwalds Vater ist gebürtiger Hoffenheimer, die TSG war bei ihr also schon immer präsent. Und, nachdem sich die beiden 1994 in einer Disco in Waibstadt kennenlernten, auch bei Schiffsführer Odenwald. Richtig angefixt wurden sie aber erst durch den Aufstieg in die Bundesliga. "Unsere ersten Spiele haben wir damals im Mannheimer Carl-Benz-Stadion gesehen. Das war schon toller Fußball", erinnert sich Odenwald. Sie wurden Mitglieder und sicherten sich Dauerkarten.

Nach dem Aufstieg sei der "Hoffe-Hype" allgegenwärtig gewesen, die ganze Region stand Kopf und war im Fußballfieber. "Jedes Schaufenster war im Zeichen der TSG dekoriert, beim Getränkehändler gab es zu zwei Kisten Bier einen Hoffe-Ball und sogar in Mannheim jubelten uns Leute zu", erzählt Odenwald. In der zweiten Saisonhälfte spielte die Mannschaft bekanntlich schwächer. "Plötzlich wurdest du mit einem Trikot in Sinsheim dumm angemacht. Das kann einfach nicht sein", ärgert er sich noch heute.

Niederlage gibt den Ausschlag

Im April 2009 verlor Hoffenheim dann gegen Hertha BSC, Odenwald war wütend – weniger auf die Leistung des Teams, sondern vielmehr auf die vermeintlichen Fans, die dem Verein in der ersten schwächeren Bundesliga-Phase schon den Rücken kehrten. Odenwald wurde es zu bunt: Mit Farbeimer und Pinsel setzte er sein blau-weißes Zeichen. Die anfänglichen Reaktionen auf diese offensichtliche Vereinsliebe waren heftig, der Gegenwind vom Ufer enorm und häufig unsportlich. Besonders rund um Mannheim und Karlsruhe.

Von der Mannheimer Neckarwiese haben Waldhof-Fans Steine oder Flaschengeschmissen, "drei KSC’ler sind einmal völlig durchgedreht, die haben mit allem geworfen, was sie finden konnten. Da fährt man dann schon mal etwas weiter vom Ufer weg", erzählt Odenwald. "Auf dem Neckar bei Marbach wurden wir sogar einmal mit einem Luftgewehr beschossen", erinnert sich seine Frau. Umstreichen war trotzdem keine Option: "Das stand nie zur Debatte. Dazu muss man stehen. Der Anstrich war unser öffentliches Bekenntnis zur TSG Hoffenheim." Seit etwa drei Jahren haben sich die Anfeindungen deutlich gelegt. Beschimpft oder beschmissen werden sie so gut wie gar nicht mehr. Odenwald: "Höchstens mal ‘nen Stinkefinger." Aber auch der Daumen werde immer wieder gehoben, oder Leute winken vom Ufer mit TSG-Schals. Wenn die TSG spielt, steht das Boot still.

Feierabend wenn "Hoffe" spielt

Spielt Hoffenheim, hält das Paar nichts mehr auf dem Wasser: In all den Jahren haben sie gerade mal vier Heimspiele verpasst – und das, obwohl sie lange Zeit eigentlich ausschließlich auf dem Schiff lebten. In ihrer Wohnung in Eschelbach waren sie kaum. "Eigentlich nur, um Post zu holen oder wenn Hoffenheim gespielt hat", sagt Odenwald und lacht. Kein Wunder: 2003 bauten sie die Bordwohnung aus, verdoppelten die Quadratmeterzahl auf etwa 100. Natürlich zieht sich auch dort ihr Verein durch die Einrichtung: Kissen und jede Menge unterschriebene Trikots, einige sogar gerahmt.

Martin Odenwald ist seit seinem 15. Lebensjahr auf dem Wasser unterwegs. Damals machte er eine dreijährige Ausbildung an der Schifferschule in Duisburg. "Von meinem Opa aufwärts waren alle auf dem Schiff. Mein Vater durfte nicht, das war eben die Nachkriegszeit", erzählt er. Mit der "Schadeck" transportiert er heute hauptsächlich Kies, meistens laden sie in der Gegend um Baden-Baden ein und fahren zum Ausladen nach Neckarsteinach oder Oberhausen-Rheinhausen in der Nähe von Karlsruhe. Seine Frau kam 1995 an Bord. Für sie war es allerdings eine völlig neue Welt. "Das war eine große Umstellung. Du kannst nicht mal schnell einkaufen gehen, abends ins Kino oder in die Disco. Nicht mal zum Arzt. Und wenn du ein Kind hast, muss es auf ein Internat, oder die Frau geht mit ihm von Bord. Deshalb haben wir keine Kinder", sagt die gelernte Steuerfachgehilfin.

Ob sie die Entscheidung, an Bord zu gehen,  jemals bereut hat? "Manchmal schon", meint sie, lächelt aber.Eine Konstante aber gibt es in ihrem Leben: die TSG, genauer gesagt, die Heimspiele in der WIRSOL Rhein-Neckar-Arena. Danach richtet sich nicht nur ihr Leben, sondern auch die Arbeit. "Unser Disponent ist auch Fußballfan, er hat Gott sei Dank Verständnis. Manchmal jammert er schon etwas, aber da muss er durch", sagt Odenwald. Anfangs sei das Schiff alle zwei Wochen zu den Heimspielen liegen geblieben. Auswärtsspiele hätten sie damals an Bord auf dem Laptop geschaut, fuhren dafür manchmal sogar rechts ran und legten an. Doch das Internet auf dem Schiff ist nicht immer beständig. Mittlerweile macht die "Schadeck" auch bei Auswärtsspielen am Ufer fest.

Vom Schiff zum Gartenzwerg

Da es für das Schiff zwei Anlegestellen gibt – eine bei Neckarsteinach und eine bei Speyer – haben sich die Odenwalds extra ein zweites Auto gekauft. Beide stehen in Ufernähe parat, so dass sie es immer pünktlich ins Stadion schaffen. Nach all den Jahren auf dem Wasser kann sich der Kapitän durchaus auch ein Leben ohne Schiff vorstellen: "Wenn wir einen Käufer finden und das Finanzielle passt, sind wir daheim", sagt er.

Daheim ist für das Paar seit vergangenem Jahr nicht mehr nur das "Hoffe"-Schiff oder gelegentlich die Eschelbacher Wohnung, sondern ein Haus, das sie sich in Epfenbach gekauft haben. Ob er dem auch einen blauen Streifen verpassen will? Odenwald lacht und meint: "Eher nicht." Dennoch werden "M & M" – Monika und Martin – auch in der Zeit nach der "Schadeck" ihre Liebe zur TSG weiter nach außen tragen: "Wenn es mal soweit ist, werden wir das große Alu-Wappen von unserem Schiff nehmen und ans Haus schrauben." Die Hoffenheim-Gartenzwerge warten schon.

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