Page 54 - Spielfeld_August_2021
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Die Gruppe der 19 Teilnehmenden und sieben Teamleiter*innen schaut gebannt auf den Bild- schirm, auf dem Menachem Mayer zu sehen
ist. Der 92-Jährige sitzt zu Hause in Israel und spricht im Video-Telefonat über seine schwere Kinderzeit, als er sich noch Heinz nannte. „Die Bilder, die ich heute noch vom Lager in Gurs im Kopf habe, sind Schlamm und Dreck. Überall knietiefer Schlamm und übelste hygienische Bedingungen“, sagt der rüstige Mann. Auf einem Gelände, auf dem heute eine Gedenkstätte untergebracht ist, wurden sechs Jahre lang insgesamt 60.509 Häftlinge gefangen gehalten, darunter 6.504 Juden aus Baden. Welches Erlebnis ihn heute noch am meisten beschäftigt, wird Menachem von einem TSG-Fan gefragt. „Ich sehe noch die tieftraurigen Augen meines Vaters, als er sich von mir verabschiedete. Meine Mutter durfte nicht zu uns kommen, sie konnte nur winken. Wir wussten es damals nicht – aber wir haben unsere Eltern nie mehr wieder gesehen“, erzählt der frühere Hoffe-Bub, dessen Mutter und Vater an jenem Tag in ein KZ gebracht und wo sie ermordet wurden. Die TSG-Fans und Sinsheimer Schüler sind ebenso wie ihre Betreuer tief berührt von den Schilderungen.
„Besonders die Gespräche mit Menachem waren sehr bewegend, weil er Dinge erzählte, die für uns alle unvorstellbar waren“, sagt Lukas Zülch, der als Fanbeauftragter der TSG Hoffenheim die „Erinne- rungstour – Niemals vergessen“ mit organisiert hat.
Es gab zwei Zoom-Konferenzen mit Menachem, der auch noch 82 Jahre nach der Vertreibung aus seiner Heimat gut deutsch spricht. „Wir haben einmal am Tag vor unserem Besuch des Lagers, in dem er und sein Bruder Fred interniert waren, gesprochen und einmal am Tag danach“, berichtet Zülch: „Unsere Gruppe war sehr beeindruckt, wie souverän und selbstsicher Menachem heute mit seinem Schicksal umgeht und dass er trotz allem ein so positiver Mensch geblieben ist. Er hat den Appell an uns und die Jugend in Deutschland gerichtet, dass wir etwas dafür tun müssen, dass so etwas niemals wieder passiert.“ Die aktive Einbindung von Dr. Menachem Mayer, einem Erziehungswissenschaftler, machte den Besuch am Ort seiner und des inzwischen verstor- benen Bruders Fred Raymes (früher Manfred Mayer) erlebten Leiden noch eindrucksvoller. Seine Berichte machten das erlebte Grauen fühlbar, der Ortsbesuch ließ es anschaulich werden.
Es war nicht das erste Mal, dass die TSG Hoffenheim dem fürchterlichen Schicksal der nordbadischen und besonders der Kraichgauer Juden vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus nachging. Unter anderem war Dietmar Hopp an der Entstehung des 2007 veröffentlichten Kinofilms „Menachem & Fred“ beteiligt. Der israelische Nationalspieler Ilay Elmkies von der TSG Hoffenheim engagierte sich 2018 beim Film „Zahor“, in dem das Leben von Menachem und Fred und ihrer in Auschwitz ermordeten Eltern erneut thematisiert wurde. Und die Erinnerungstour der TSG-Fans nach Gurs wurde im Umfeld des Länderspiels zwischen Deutschland und Israel in Sinsheim intensiv vorbereitet. Ein Workshop am 25./26. März in Neckarzimmern bereitete die Reise vor.
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