Page 75 - Spielfeld_Juni_2022
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 SPIELFELD TSG HOFFENHEIM 75
  „Okay, kaufst du mal ein paar Bäume aus Japan und stellst sie hier hin.“
    A ls Christoph Kolumbus 1492 versehentlich Amerika entdeckte, hatte er schon mehr als 100 Jahre auf dem Holzbuckel und er stand
auch noch voll im Saft, als Deutschland 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde. „Der Baum ist über 650 Jahre alt“, sagt Edis Ziegler. Die längste Zeit verbrachte die Eibe in Japan, später stand sie auf der Weltausstellung in München und wurde 1999 bei Sotheby's in London versteigert. Zuletzt landete sie in einem Bonsai-Zentrum in Frankfurt, ehe Ziegler sie vor gut zehn Jahren kaufte. Seither steht die Eibe in bester und ältester Gesellschaft in seinem Bonsai-Zentrum Heidelberg. „Jeder Baum hat eine Geschichte“, sagt er. Ziegler erzählt sie.
20.000 Bonsais stehen auf dem großzügigen Gelände im Stadtteil Wieblingen: junge, alte, kleine und ganz kleine, Indoor- und Outdoor-Bäume, verkäufliche und unverkäufliche. Von außen wirkt es unscheinbar, doch in der Szene ist es weltweit bekannt. Regelmäßig reisen Menschen aus dem Ausland an, um Zieglers Schätze zu sehen. Bis vor 14 Jahren hatte er rein gar nichts mit Bonsai zu tun, war in der Eventbranche tätig und hatte „den kleinsten grünen Daumen der Welt“ – sogar Kakteen kriegte er kaputt.
Als das Gelände 2006 zum Verkauf stand, war der gebürtige Heidelberger in erster Linie am Grund- stück interessiert. Nach und nach erfuhr er mehr über die Historie des Orts. Paul Lesniewicz baute dort vor mehreren Jahrzehnten aus einer Gärtnerei ein Bonsai-Zentrum auf, das international höchste Beachtung fand. Lesniewicz gilt als Pionier und Wegbereiter der deutschen Bonsai-Szene. 2006 schloss das Zentrum seine Pforten. „Als ich hörte,
was für eine Geschichte hinter diesem Ort steckt, dachte ich: Okay, kaufst du mal ein paar Bäume aus Japan und stellst sie hier hin“, sagt er und lächelt. Ziegler fing klein an, mit acht Tischen, auf die er roten Fächerahorn stellte, 69 Euro das Stück.
Doch mit seiner Faszination wuchs auch das Sor- timent. Dass er heute Bäume besitzt, die er, wenn überhaupt, unter einer Million nicht verkaufen würde, hätte der 43-Jährige sich damals nicht vor- stellen können. Mit den Fingerspitzen zupft er an den Blättern eines solchen kleinen Hochkaräters, ein Wacholder. „Letztendlich ist es ein Baum. Er braucht Licht, Wasser und Dünger. Er weiß nicht, wie teuer er ist und dass er in Kimuras Garten gestanden hat.“
Masahiko Kimura ist ein Bonsai-Meister, der in der Nähe von Tokio lebt. Wenn Bonsaianer über von ihm gestaltete Bäume sprechen, reden sie mit einer Ehrfurcht, wie andere von Gemälden der alten Meister. Ziegler hat gleich zwei solcher Natur-Kunst- werke in seinem Zentrum stehen. „Ich habe mich in sie verliebt und acht Jahre bei ihm gebettelt.“ Irgendwann stand er in Kimuras Garten und offen- bar war der Zeitpunkt richtig. „Ich habe ihn nach einem Preis für beide Bäume gefragt und er hat mir ein einmaliges Angebot gemacht.“ Die grünen Ge- mälde kamen per Schiff, vier oder fünf Wochen verbrachten sie in speziell gekühlten Containern. Das sei kein Problem, solange man zwischen Ok- tober und März verschiffe. „Da sind die Bäume im Winterschlaf, man macht sie triefend nass und benutzt ein bestimmtes Moos, das die Feuchtigkeit speichert. So überleben sie das problemlos.“
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