Page 81 - Spielfeld_Mai_2021
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  SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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 mich fit, das war schon immer so. Ich komme an die frische Luft und habe mit jungen Leuten zu tun. Ich bin kein Typ, der zu Hause auf dem Sofa sitzt, sich um den Garten kümmert und damit glücklich ist. Ich will etwas erleben. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich da 35 Jahre bleibe“, sagt er und lacht zu- frieden. Die Erinnerungen sind noch präsent, auch wenn er angesichts des enormen Anekdoten- und Erfahrungsreichtums eigentlich einen persönlichen Archivar einstellen könnte.
Beim BFV knüpfte er Kontakte in die höchsten Ebe- nen des deutschen Fußballs – wo er sich ebenfalls einen herausragenden Ruf erarbeitete. Doch Lob und Anerkennung zollte Kafka schon immer gern auch seinen vielen Weggefährten, von denen einige deutsche Fußballgeschichte schrieben. Pál Csernai etwa, der in den 70er Jahren beim BFV arbeitete und später den FC Bayern zu zwei Deutschen Meisterschaften führte. „Er war in Sachen Taktik der Beste“, sagt Kafka über den Ungarn. Als seinen großen Mentor bezeichnet er noch immer Herbert Widmayer, der ebenfalls für den BFV aktiv war und bei der WM 1974 zum Trainerstab Helmut Schöns gehörte. „Wenn der eine Rede gehalten hat, wärst du sofort auf Befehl den nächsten Baum hochgelaufen“, schwärmt Kafka von dem gebürtigen Kieler, der ihn zu andauerndem Lernen ermunterte und den Satz prägte: „Achte deine Mitmenschen auf deinem Weg nach oben, denn sie könnten dir auf dem Weg nach unten wieder begegnen.“ Ein respektvoller Umgang in den zwischenmenschlichen Beziehungen gehört für Kafka daher zu den wichtigsten Eigenschaf- ten: als Trainer, als Scout – und als Mensch.
Im Jahr 2006 dann, in einer Zeit, in der der moderne Fußball weiterzuziehen schien – weg von den einstigen Granden wie Helmut Kafka und handschriftlichen Notizen hin zu jungen Menschen mit Laptops, Tabellen und neuartigen Fußballbegriffen – da schaute die TSG in die andere Richtung der Entwicklung und machte Kafka ein Angebot, dass er nicht ablehnen konnte. Der enorme Erfahrungsreichtum, das hervorragende Netzwerk und der über viele Jahrzehnte gewonnene Sachverstand machten den vermeintlichen Pensionär zu einer hoch geschätzten Verstärkung für die damals noch aufstrebende TSG – und der Wunschtransfer vom BFV zahlte sich schnell aus.
Bereits ein Jahr danach tourte der leidenschaftliche Entdecker durch die Niederungen des badischen Juniorenfußballs – und wurde In Neckarau fündig. Und wie. „Sieben auf einen Streich“, sagt er und lacht dabei durchaus ein wenig stolz. Es war ein Moment, der die Geschichte der TSG verändern sollte, denn an diesem Tag im Jahr 2007 legte Kafka den Grundstein für den ersten Meistertitel der Ära Dietmar Hopp. Die glorreichen Sieben, unter ihnen die späteren Bundes- liga-Spieler Marco Terrazzino, Manuel Gulde, Robin Szarka und Pascal Groß, die Kafka beim Mannheimer Stadtteil-Verein entdeckte und für die TSG begeisterte, gewannen ein Jahr später die Deutsche U17-Meister- schaft im Hoffenheimer Trikot.
Für Kafka war der Titelgewinn ein gelungener Einstieg – die daraus resultierenden hohen Erwartungen er- füllte er problemlos: Wie schon zuvor beim BFV, wo er spätere Legenden wie die Förster-Brüder Karlheinz und Bernd, Weltmeister Jürgen Kohler sowie den aktuellen Bundestrainer Hansi Flick begleitete, reih- ten sich auch bei der TSG Talent an Talent in Kafkas persönliche Erfolgsbilanz. Sie alle schafften es durch Kafkas ganz persönliches Auswahlsystem, dass antiquiert erscheint, aber auch nach mehr als 5.000 Live-Spiel-Beobachtungen für die TSG verlässlich Erfolge liefert: Er schreibt sich die Aufstellung von jedem Spiel handschriftlich auf, macht sich Notizen zu den Merkmalen sowie Laufwegen der Spieler und markiert diese nach Stärken: „Drei Kreuze bedeuten, dass das Talent am besten noch heute von uns ver- pflichtet werden soll, auch Spieler mit zwei Kreuzen sind sehr interessant für uns, Talente mit einem Kreuz sollen weiterbeobachtet werden.“
Einer der vielen Talente, die Helmut Kafka entdeckt hat: Niklas Süle 2010 als U15-Spieler bei der TSG Hoffenheim
 


























































































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