Page 91 - Spielfeld_November_2021
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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  vorkommen, so ist ihr gemeinsames Bild, aufge- nommen am 16. Oktober 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko City, längst eine bildliche Ikone. Die beiden US-Amerikaner, die ihre behandschuhte Faust, das Zeichen der Black Power-Bewegung, im Kampf gegen den Rassismus dem Himmel entgegen recken. Das Stadion verstummte. „Es wurde so still im Stadion, dass man hätte hören können, wie ein Frosch auf Baumwolle pinkelt“, beschreibt John Carlos diesen Moment später, der ihn aufgrund der folgenden Repressalien seine Sportkarriere kostete.
Es ist eines der berühmtesten Bilder der Sport- geschichte – und zeigt vorn auf dem Foto den Australier Peter Norman. Was kaum einer sah: Norman trug nicht nur die Silbermedaille um den Hals, sondern auch eine Plakette der Black Power-Bewegung: „Olympic Project for Human Rights“. Weiß und Schwarz vereint im stillen Protest. „Peter hat nicht die Faust gehoben, aber er hat uns die Hand gereicht“, sagte Tommie Smith später. Und sie bleiben verbunden, bis zu Normans Tod im Herbst 2006, als Smith und Carlos, die Männer mit den breiten Schultern, ihren dritten Mann in Melbourne zu Grabe trugen.
Diese Hintergründe, Beobachtungen, Recherchen sind es, die das Buch von Oskar Beck so lesenswert, so gewinnend machen. Die einzelnen Kolumnen, kurzweilig und pointiert formuliert, führen den Leser von Bubi Scholz über Dietmar Hopp zu Oliver Kahn,
Oskar Beck:
Und alles wegen Ali – Geschichten zu 50 Jahren Sport
428 Seiten, Hardcover, 29,00 Euro, ISBN: 978-3-9820948-2-3
Edition Debuts, 2021.
vom legendären Ali-Trainer Angelo Dundee bis zu LeBron James. Oskar Beck erzählt en passant die amüsante Episode, wie er sich vor dem WM-Finale 1974 ins Mannschaftsquartier der Niederländer im Hotel Krautkrämer in Münster einschlich („Ich bin ein Spätzlevertreter aus Stuttgart“) und dort anschließend das feuchtfröhliche Tete à tete von König Johan Cruyff offenlegte. Es ist ein Parforceritt durch ein halbes Jahrhundert Sportgeschichte, das in den Kolumnen von Oskar Beck nochmals auf eine neue, unbekannte Art lebendig wird. „Vielleicht war er zu jung, um zu wissen, dass er zu jung war“, lautet der Titel einer Kolumne über den „17-jährigsten Leimener", wie sich jener Boris Becker später selbst titulierte. Doch selbst beim grell ausgeleuchteten Tennis-Star findet Beck im Unterholz noch ein unbekanntes wie aussagekräftiges Zitat: Was diesen blutjungen Boris Becker auszeichne, wird der erfahrene Davis- cup-Spieler Damir Keretic im März 1985, also noch vor dem ersten Turniersieg, gefragt: „Für den Sieg“, antwortet Keretic, „frisst der eine Ratte.“
Es ist nur eine der vielen Perlen in diesem Buch eines fähigen Journalisten und amüsanten Schreibers, der seine berufliche Bestimmung fand am 8. März 1971, auf der heimischen Couch, mitten in der Nacht – als er aufstand, um den „Kampf des Jahrhunderts“ im New Yorker Madison Square Garden zu verfolgen. Es siegte Joe Frazier – aber Oskar Beck tat es „alles wegen Ali“.
   Journalist und Autor Oskar Beck (rechts) im Gespräch mit Boris Becker
EMPFEHLUNG DES HAUSES II






















































































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