Page 31 - Spielfeld_November_2021
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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Sie haben die TSG im Jahr 2010 verlassen und sind in diesem Sommer, elf Jahre später, zurückgekehrt. Wie kam es dazu?
„Ich hatte über all die Jahre immer wieder Kontakt zur TSG, habe mit einigen Menschen hier echte Freundschaften ge- schlossen. Dann sind mehrere Dinge zusammengekommen. Etwa, dass Sebastian Hoeneß Trainer ist – er war damals, als ich das erste Mal bei der TSG tätig war, ja noch als Spieler in Hoffenheim. Der Kontakt ist nie abgebrochen. Und als Prof. Dr. Jan Mayer in diesem Jahr Geschäftsführer wurde, haben mich die Verantwortlichen gefragt, ob ich mir eine Rückkehr vorstellen könnte und ich habe gern zugesagt.
Hans-Dieter Hermann und Jan Mayer lernen sich Anfang der 2000er Jahre an der Universität Heidelberg kennen. Hermann arbeitet dort zu jener Zeit am Institut des renommierten Sportpsychologen und Vordenkers Hans Eberspächer, Mayer übernimmt dort später seine Assis- tenten-Stelle. Später wurde Mayer dann auch Hermanns Nachfolger bei der TSG. Schätzen gelernt haben sie sich dabei sowohl persönlich als auch inhaltlich: „Jan ging ein bisschen mehr in die diagnostische Richtung und ich eher in Richtung Coaching. Aber das haben wir immer sehr aneinander gemocht, dass wir diese beiden Seiten der Psychologie so zusammen abdecken konnten und ich glaube, dass wir gerade dadurch unsere gemeinsamen Projekte erfolgreich gestalten konnten“.
Im Schnitt sind Sie nun zwei Tage die Woche für die TSG im Einsatz. Wie müssen sich die SPIELFELD-Leser das vorstellen: Wie laufen da die Absprachen, Termine mit Spielern oder Trainer: Suchen Sie da aktiv den Kontakt?
„Ich bemühe mich darum, für Spieler und Trainer jederzeit ansprechbar zu sein, ohne dass daraus jedes Mal gleich ein längerer Termin werden muss: Es braucht eine gewisse Selbstverständlichkeit. Man sitzt irgendwo, kommt ins Gespräch – klassischerweise beim Essen – und sagt: Das vertiefen wir nochmal ausführlicher. Gut ist da immer ein lockerer Aus- tausch, wie es auch zum Beispiel mit Physiotherapeut:Innen oder den Athletiktrainern der Fall ist. Ich sehe mich hier als Teil des Teams um die Mannschaft herum.“
Aus diesem Grund ist auch Ihre Anwesenheit bei Spielen und im Training wichtig ...
„Genau, denn es braucht Normalität im Umgang. Als Externer ist die wichtigste Währung nicht so leicht herzustellen: das Vertrauen. Zuletzt sagte mal ein Spieler am Tag nach einer Trainingseinheit, bei der ich nicht anwesend war: „Wo warst du denn gestern? Ich habe dich gar nicht gesehen.“ Das empfand ich als Kompliment.“
Bei den Heimspielen der TSG sitzt Hermann meist in unmittelbarer Nähe der Hoffenheimer Bank. Als aufmerk- samer, aber stiller Beobachter der Partie.
Was nehmen Sie als Sportpsychologe aus so einem Spiel mit?
„Es ist ja nicht so, dass man die ganze Zeit dasitzt, ständig Notizen macht und analysiert. In erster Linie schaue ich das Spiel an. Dabei erkennt man Dynamiken, kriegt Enttäuschun- gen mit und auch Hochgefühle. Man sieht, wer das Sagen hat, wer andere pusht und wer eher ein bisschen hadert, in sich zusammensackt. Da spürst du, wem du eventuell ein bisschen mehr Mut mitgeben kannst oder wer eigentlich eine viel dominantere Rolle innehat, als er selbst glaubt. Das bekommst du aber nur mit, wenn du die Spieler wirklich in der Spielsituation erlebst. Denn im Spiel und in der Kabine, da lebt ja die Mannschaft.“
Bilden die fußballerischen Aspekte den Schwerpunkt der Gespräche, oder geht es auch um ganz andere Felder? „Das verläuft wirklich querbeet. Es geht vom Umgang mit Pfiffen über Misserfolge bis hin zu Konzentration im Erfolgserlebnis. Aber natürlich auch um private Dinge, Freundschaften, Beziehungen.“
Für die TSG ist die erneute Zusammenarbeit mit Hans- Dieter Hermann die logische Fortsetzung des Hoffen- heimer Weges. Die sportpsychologische Unterstützung und Förderung von Spitzensportlern, genauso wie die von jungen Akademie-Talenten, sei bei der TSG neben der täglichen Trainingsarbeit auf dem Platz „ein fester Eck- pfeiler, um konstant sportliche Höchstleistung abrufen zu können“, sagt Geschäftsführer Prof. Dr. Jan Mayer. „Fußball ist immer auch Kopfsache, zumal das Spiel auf dem Platz immer schneller wird. Unter maximaler phy- sischer Belastung und in psychischen Drucksituationen gilt es, richtige Entscheidungen zu treffen. Dafür bedarf es auch mentaler Trainingseinheiten mit einem innova- tiven Top-Experten wie ihm.“
 Interessierter Beobachter am Spielfeldrand: Hans-Dieter Hermann beim Heimspiel der TSG
 



















































































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