Page 75 - Spielfeld_Februar_2021
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
Sechs Jahre ist es her, dass sich Thomas Hitzlsperger als homosexuell outete. Die mediale Welle schlug hoch. Einer, der sich in
dem Zusammenhang häufiger den Fragen deutscher Journalisten stellte, war Markus Kellmann vom schwul-lesbischen Sportverein mvd aus Mannheim. „Das war damals ein wichtiger Schritt. Die Welle brachte eine wahre Informationsflut mit sich, das Thema kam ins Gespräch, was Sichtbarkeit schaffte“, sagt der 43-Jährige. Dennoch: Seither hat sich kein weiterer Bundesligaprofi geoutet.
Im Jahr 2012 begann Kellmann mit einigen Mann- heimer Freunden, regelmäßig zum Kicken nach Karlsruhe zum Verein Uferlos zu fahren. In einem der „etlichen Staus auf der A5“ beschlossen sie dann eine eigene Fußballtruppe, die Quadratekicker, zu grün- den. „Nach wenigen Wochen waren wir schon gut 20 Leute, fast alle schwul. Wir brauchten eine Halle und generell eine Struktur, also haben wir uns dem mvd angeschlossen“, erinnert er sich. Der Verein, dessen Bezeichnung mvd die Abkürzung des mittlerweile nicht mehr genutzten Gründernamens Mannheim VolleyDolls ist, hat etwa 300 Mitglieder in mehreren Abteilungen und ist der größte schwul-lesbische Verein der Rhein-Neckar-Region. Die Mitglieder kommen aus der ganzen Region, sind schwul, lesbisch, bi- oder heterosexuell. „Wir versammeln hier die ganze Palette der Vielfalt“, sagt Kellmann, der mittlerweile Vorsitzender des gesamten Vereins ist. „Im Sommer trainieren wir auf dem Rasenplatz ,Unterer Luisen- park‘. Einmal kamen ein paar Typen dazu und kickten mit. Irgendwann merkten sie, dass wir alle die gern so genannten ,Warmduscher' sind. Manche kamen dann nie mehr, andere reagierten völlig entspannt und blieben dabei“, erklärt er und lacht.
Kellmann wird oft gefragt, warum er und sein Verein sich separieren, sich sozusagen selbst diskriminieren. Seine Antwort: „Selbst wenn es keine Diskriminierung mehr gäbe, hätten wir Schwulen eben doch ein paar andere Themen, die uns beschäftigen. Kinder stehen
meist nicht so sehr im Fokus, die Lebens- planung ist häufig eine andere.“ Zudem seien Vereine schließlich nicht nur dazu da, Sport zu treiben, es gehe auch dar- um, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. „Wer nach Mannheim oder in die Gegend zieht und Anschluss sucht, für den ist ein Sportverein ein Segen.“ Der Bedarf sei vorhanden, auch bei jüngeren Menschen. Gerade die gelte es zu schützen, findet Kellmann. „Mir geht es hier gar nicht so sehr um die Profis, sondern eher um den 16-jäh- rigen Pubertierenden, der der einzige
Kämpferisch:
der Vorsitzende Markus Kellmann
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Schwule in seinem Verein ist. Wie geht es dem? Wie gehen Mitspieler und Trainer mit ihm um? Fangen sie ihn auf oder wird er gemobbt?“
Seit 2017 ist das Thema sexuelle Vielfalt Teil der Grundausbildung von Jugendmanagern (früher: Jugendleitern). „Bei den Lerneinheiten erlebe ich oft einen Aha-Effekt, viele Leute sagen danach: ‚So habe ich das Thema noch gar nicht gesehen‘“, erklärt Sven Wolf, Vizepräsident des Sektors Gesellschaftliche Verantwortung beim Badischen Fußballverband. Auch für ihn steht die Sensibilisierung an oberster Stelle. „Wir müssen vor allem den Leuten an der Basis, bei den Amateuren, zeigen, dass das ein Thema ist. In den 25.000 Vereinen findet der breite Fußball statt, das Leben, die sexuelle Vielfalt.“
Die Quadratekicker sind Mitglied des Badischen Sportverbands, nehmen aber nicht am Ligabetrieb teil (das einzige schwule Fußballteam, das im offi- ziellen Ligabetrieb des DFB spielt, sind derzeit die Streetboys München). Im Fokus steht zwar der Spaß am Sport, dennoch nehmen sie immer wieder an verschiedenen Turnieren in ganz Europa teil oder organisieren eigene. Ihr bisher größter Erfolg: der dritte Platz bei der schwul-lesbischen Fußball-EM in Hamburg 2015.
Manche Quadratekicker spielen auch noch in ande- ren Vereinen im Ligabetrieb. „Wenn wir ein Mann- schaftsfoto machen, stellen sie sich abseits, um nicht erkannt zu werden. Ein Mitglied von uns war Jugendtrainer in einem anderen Verein und irgend- wann haben die dort mitbekommen, dass er schwul ist. Wenige Wochen später wurde er entlassen, auch wenn die offizielle Begründung nichts mit seiner Homosexualität zu tun hatte.“ Auf der anderen Sei- te kennt Kellmann aber auch viele Spieler, die sich geoutet haben und in ihren Dorfvereinen bestens aufgenommen und integriert wurden. „Es hat sich schon was getan, aber man kann es nicht pauscha- lieren. Es gibt immer wieder Negativbeispiele, auch abseits des Fußballplatzes“, sagt er.
    





















































































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