Page 90 - Spielfeld_November_2020
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Das Motto der Athleten bei den Olympischen Spielen lautet „höher, schneller, weiter“. Die
aktuelle Entwicklung auf dem Fuß- ball-Transfermarkt lässt sich dagegen wohl mit „früher, jünger, teurer“ zu- sammenfassen. Immer früher werden immer jüngere Talente für immer mehr Geld von einem Verein abgeworben. Zu den Gewinnern zählen vor allem die großen Klubs.
Das jüngste Beispiel lautet Jude Belling- ham: Der Engländer wechselte in diesem Sommer vom englischen Zweitligisten Birmingham City zu Borussia Dortmund – kurz nach seinem 17. Geburtstag am 29. Juni. Ablöse: rund 25 Millionen Euro. „Gut angelegtes Geld“, sagt BVB-Lizenz- spielerchef Sebastian Kehl drei Monate später dem „kicker“: „Jude ist für sein Alter schon unglaublich weit.“
Bellingham erklärt die gewachsene Rolle junger Spieler pragmatisch wie philoso- phisch: „Ich glaube, das Alter spielt für viele Trainer keine Rolle mehr. (...) Wenn du gut genug bist zu spielen, bist du auch alt genug.“
Dieser These schließt sich auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) mehr und mehr an. Die Altersgrenze der Bundesliga und der 2. Liga wurde mit Beginn dieser Saison gesenkt. Nun dürfen Jugendliche ab 16 Jahren schon bei den Profis spielen. Zuvor wurde die Grenze so definiert: Nachwuchsspieler mussten entweder ihr 18. Lebensjahr vollendet haben oder zum jüngeren Jahrgang der U19 gehören. Somit ist bereits abzusehen, dass Nuri Sahin (16 Jahre, 11 Monate und 1 Tag bei seinem Bundesliga-Debüt) seine
Bestmarke verlieren wird. Auch das neue Rekordtalent wird wohl das Dortmunder Trikot tragen, der erst 15-jährige Youssoufa Moukoko setzt seine Fabelleistungen auch in der U19 des BVB fort, trainiert bereits regelmäßig mit den Profis und kann nach seinem 16. Geburtstag am 20. November auch in der Bundesliga spielen. Am 24. November gegen den FC Brügge könnte Moukoko sogar die größte Bühne des Ver- einsfußballs betreten – der BVB hat Moukoko für die Champions League gemeldet.
Der Trend ist eindeutig, Beispiele wie das von Miroslav Klose, der erst mit 20 Jahren in die Regionalliga wechselte, sich zwei Jahre später in der Bundesliga etablierte und im Verlauf seiner Karriere noch Weltmeister und WM-Rekordtorjäger wurde, sind rar. James Vardy vom Premier-League-Klub Leicester FC hat noch ein Spätzünder-Mär- chen geschrieben, ansonsten sind die neuen Fußballhelden oftmals perfekt geschulte und früh entdeckte Top-Athleten. Lohnende Investitionen in die Zukunft – wie nicht zuletzt der FC Bayern Campus belegt: Die neue Nachwuchsakademie, die sich der Rekordmeister vor drei Jahren mehr als 70 Millionen Euro kosten ließ.
Die TSG Hoffenheim hat in den vergan- genen Jahren eindrucksvoll gezeigt, wie wertvoll – sportlich und finanziell – eine Nachwuchsförderung auf Spitzenniveau für die Bundesliga-Mannschaft sein kann. Doch auch hier zeigt sich der immer härtere Konkurrenzkampf, es ist ein konzeptioneller Spagat zwischen Ausbilden und Abwerben. Die TSG hat sich bereits früh auf die Nach- wuchsförderung fokussiert. In Hoffenheim haben es viele Talente wie Nadiem Amiri in die Bundesliga geschafft und durch ihre
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