Page 54 - Spielfeld_Oktober_2020
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 „Wir sind mächtig stolz“
Ralf Zwanziger, Leiter des Mädchen- und Frauenfuß- ballförderzentrums der TSG Hoffenheim, ist seit knapp 14 Jahren im Kraichgau tätig. Er hat den Aufbau und die Entwicklung des Frauenfußballs der TSG entscheidend mitgeprägt. Entsprechend glücklich ist der 47-Jährige über die DFB-Premieren der Hoffenheimer Frauen.
Ralf Zwanziger, wie überraschend war die Dreifach- Nominierung denn für Sie?
„Für uns als Klub ist das natürlich eine tolle Sache. Lena Lattwein war ja schon oft bei der DFB-Elf, auch
Tabea Waßmuth durfte bereits im vergangenen Jahr mal in den Kader reinschnuppern und mit Paulina Krumbiegel hat nun auch eine sehr junge Spielerin erstmals den Sprung geschafft. Das ist schon außergewöhnlich. Wir sind mächtig stolz. Und das Debüt von Tabea und Pauli ist natürlich etwas Beson- deres. Sie haben es sich absolut verdient.“
Es ist auch eine Bestätigung für den Klub ...
„Absolut. Jeder sieht, wie sich die Spielerinnen
hier entwickeln können. Das ist gerade auch
an den Nominierungen von Tabea und zuvor Maxi (Maximiliane Rall; d. Red.) abzulesen, die beide ohne ein Juniorinnen-Län- derspiel den Sprung in die A-Nationalelf geschafft haben. Wir können selbstbewusst sagen: Hier wird unter sehr guten Bedingungen herausragende Arbeit abgeliefert.“
Was zeichnet Tabea Waßmuth und Paulina Krumbiegel denn aus?
„Tabea hat bereits vergangene Saison eine herausragende Quote gehabt, viele Tore geschossen, zahlreiche Treffer vorbereitet. Natürlich kommt ihr eine Taktik mit echten Flügelspielerinnen besonders entgegen. Gerade im Duell mit starken Gegnern kann sie ihre Stärken im Umschalt- spiel, ihr Tempo und ihre Dynamik am besten ausspielen. Daher glaube ich, dass Tabea auch bei der Nationalelf immer ein Trumpf sein kann. Bei Pauli ist es so, dass sie in ihrer gesamten Entwicklung stets eines der Top-Talente in Deutschland war. Die Nominierung für die A-Nationalelf war daher in gewisser Weise keine Überraschung. Es war logisch, dass es irgendwann passiert, einzig der Zeitpunkt war offen. Sie wird ihren Weg in der DFB-Elf definitiv gehen. Für uns als Klub ist es besonders schön, dass beide schon seit Kindesbeinen hier spielen. Sie wissen, was sie hier für Möglichkeiten bekommen haben.“
Nationalspielerinnen „Made in Kraichgau“ sozusagen.
„Es war von Anfang an unsere konzeptionelle Ausrichtung, junge Talente an uns zu binden und sie ganzheitlich zu fördern. Das
ist die DNA unseres Klubs. Und mit Spielerinnen wie etwa Jule Brand, die regelmäßig für uns in der Bundesliga und bei den DFB-Junioren spielt, drängen die nächsten großen Talente ja schon nach. Die Spielerinnen wissen, dass sie bei der TSG auch abseits des Fußballs perfekte Bedingungen vorfinden, etwa mit dem Spitzensportstipendium an den Universitäten in Mannheim und in Heidelberg, wie auch mit der Laufbahnbegleitung bei uns am Förderzentrum. Das ist unser größter Trumpf, so sicher einzigartig im Frauen-
fußball. Die Kolleginnen Lena Forscht und Sarah Böser machen hier einen klasse Job und sind stets für die schulischen und beruflichen Belange der Spielerinnen da.“
Finanziell dagegen nimmt das Gefälle zwischen den Teams zu.
„Es ist kein Geheimnis, dass wir wirtschaft- lich nicht mit den Top-Teams konkurrieren können. Wir sind meilenweit von Mann- schaften wie Wolfsburg oder München entfernt, zudem ist mit Eintracht Frankfurt ein weiterer Klub eingestiegen, der quasi
von jetzt auf gleich mit den Bayern und dem VfL mithalten kann, zumindest was einzelne Gehälter anbelangt. Wir haben sicher finanzielle Grenzen, aber ich bin froh, dass wir etwa mit SAP als neuem Trikotsponsor und weiteren Unterstützern einen spürbaren Erfolg im Sponsoring erzielen konnten. Ich habe schon Hoffnung, dass es auch ein Signal ist, dass wir weiter wachsen können. Denn dass wir investieren müssen, um weiter eine führende Rolle spielen zu können, ist zweifellos richtig.“
Was ist denn in dieser Spielzeit noch möglich?
„Wir haben in der vergangenen Saison mit der Platzie- rung als Dritter, aber auch mit der Punktzahl (49 Zähler; d. Red.) sicher das Optimum erreicht. Niemand kann erwarten, dass es einfach so weiter geht; erst recht, weil wir zum Beispiel defensiv den Weggang von Leonie Pankratz und die langfristige Verletzung von Michaela Specht verkraften müssen. Da fehlen dann manche Selbstgewissheiten. Aber wir lassen uns nicht verrückt machen, gucken nicht permanent auf die Tabelle, sondern auf die Spielweise. Hinter dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern sind die meisten Teams so eng beisammen, dass wirklich immer alles möglich ist. Ich denke für Platz drei wird man zum Beispiel viel weniger Punkte benötigen, als wir vergangene Saison geholt haben. Da sind einige Klubs, die sich Platz drei und somit die Champions League- Qualifikation als Ziel gesetzt haben und die werden es schwer haben, an uns vorbei zu kommen.“
 Im Duell mit erfahrenen Nationalspielerinnen wie Dzsenifer Marozsán, Alexandra Popp oder Melanie Leupolz schienen die beiden Hoffenheimerinnen ihre Sache im Training aber gut zu machen, denn Voss-Tecklenburg beorderte Waßmuth und Krumbiegel zusammen mit TSG-Mittelfeldspielerin Lena Lattwein im EM-Qualifikationsspiel in Montenegro
in die Anfangsformation. „Im Training wurden wir Spiele- rinnen bereits informiert, ich habe das aber irgendwie nicht mitbekommen und habe es erst im Nachhinein auf der Busfahrt zum Hotel von den anderen erfahren“, erzählt Waßmuth lachend. „Die Vorfreude war dann natürlich riesig.“
VEREIN











































































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