Page 71 - Spielfeld_Juli_2020
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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„Tendenziell ist VR-Systemen zur Verletzungsprophylaxe und Leistungsverbesserung ein großes Potenzial zuzuschreiben.“
DAS PROJEKT DES TSG RESEARCH LAB
MIT FRANZÖSISCHEN RUGBYSPIELERN
Die Virtual-Reality-Technologie kann Sportler besser machen, aber möglicherweise bewahrt sie Mann- schaftsspieler auch vor Gefahren. In Frankreich ist nach dem Tod von vier Rugbyspielern, die 2019 innerhalb von acht Monaten auf dem Platz oder nach einem Spiel starben, eine Diskussion über die Gefährlichkeit der Sportart entbrannt. Nun wird nach Möglichkeiten gesucht, wie die Gesundheit der Spieler besser geschützt und die Sportart sicherer gestaltet werden kann. Über längere Zeiträume vorgenommene Untersuchungen hatten bereits zuvor ergeben, dass die Verletzungshäufigkeit bei den Profispielern dieser sehr körperbetonten, mit zahlreichen Zweikämpfen und harten Ganzkörper- Tackles verbundenen Sportart zugenommen hat. Parallel stiegen auch die Schwere der Verletzungen und die Ausfallzeiten an, vor allem die Zahl der Kopf- und Gesichtsverletzungen nahm zu.
Eine Untersuchung, welche sich mit den Entste- hungsursachen von Verletzungen auseinandersetzte, konnte zeigen, dass 52 Prozent aller Verletzungen durch Tackles entstanden, die der angegriffene Spieler nicht kommen sah. Die Verletzungsrate lag
zudem 1,5-mal höher, wenn die Tackles von der Seite kamen. Durch das Bewusstsein, im nächsten Moment angegriffen zu werden, tritt wohl eine kognitive und physische Vorbereitung ein, die wie eine Schutzfunk- tion wirkt. Die Muskeln können angespannt und der Körper so positioniert werden, dass der Schlag mit weniger Wucht trifft.
Die Fähigkeit des visuellen Erkundungsverhaltens könnte auch eine Möglichkeit für die Vorbereitung auf Tackles darstellen, um Verletzungssituationen zu minimieren. Dafür wurde von Prof. Jan Mayer und seinen Mitarbeitern ein wissenschaftlich fundierter, umfangreicher Fragebogen für Rugbyspieler entwickelt. Die Befragung von 22 Rugbyspielern und fünf Trainern startete am 21. Februar 2020 an der Rugby-Akademie von Atlantique Stade Rochelais in Frankreich.
Die zwölf jungen Spieler, die in der Rugby-Akademie auf eine Profi-Karriere zusteuern, sowie die Trainer schätzten den Nutzen von VR-Brillen für einen Schutz vor Verletzungen deutlich positiv ein. Skeptischer waren in dieser Hinsicht die Profispieler. „Tenden- ziell ist VR-Systemen zur Verletzungsprophylaxe und Leistungsverbesserung ein großes Potenzial zuzuschreiben“, sagt Prof. Mayer, „der stärkste Nutzen des VR-Vororientierungstraining wurde von den Rugbyspielern und -trainern allgemein der Leistungsverbesserung zugeschrieben.“ Er weist darauf hin, dass die Zahl der Testpersonen zu klein war, um wissenschaftlich belastbare Ergebnisse zu ermitteln. Aber die Stichprobe war dennoch wertvoll. „Sie ist ein klarer Hinweis darauf, dass der Einsatz von VR-Brillen im Training von Rugby-Spielern zu wertvollen Ergebnissen führen kann.“
  Gefährlicher Zweikampf: Beim Rugby ist das Verletzungsrisiko immens.
























































































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