Page 78 - Spielfeld_Juni_2020
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  Bekannte Skulpturen im öffentlichen Raum:
das Printing Horse in Heidelberg und das Rolling Horse vor dem Berliner Hauptbahnhof
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„Mit meiner Kunst fordere ich eine pluralistische Gesellschaft zum gedanklichen Widerspruch heraus und erwarte von der Gesellschaft besonnene Toleranz und den entsprechenden Respekt vor der Leistung eines anderen.“
Handlungsbedarf. „Die TSG Hoffenheim hat diese Gegend sehr ins Bewusstsein gerückt, was großartig ist. Parallel müsste die Entwicklung aber dahingehen, dass sich Kultur hier noch stärker ansiedelt und in den Fokus rückt. Sport allein reicht nicht.“ Andere Künstler seiner Kategorie hätten das Glück, dass Städte ihnen Museen bauen. „Ich habe hier vier Stockwerke voll von Negativformen. Wir könnten im Nu ein Museum in die Region stellen, das neben der TSG sehr wohl ein Anziehungspunkt wäre.“
Goertz war schon mehrmals in der PreZero Arena, sonst schaut er die Spiele der TSG gerne im Fernsehen. „Ich habe die Entwicklung des Vereins über die Jahre natürlich verfolgt. Das ist ein Riesengewinn für die Region. Wenn sie siegen, freue ich mich. Wenn sie verlieren, tröste ich mich, indem ich denke: Es gibt ja noch die Kultur.“ In Sinsheim und Umgebung – Heidelberg und Mannheim ausgenommen – sieht Goertz diesbezüglich
 Goertz bezeichnet sich heute als Lokalpatriot, doch sein Weg in den Kraichgau war ein langer. 1939 wurde er in Albrechtshagen (heute Czeluścin, Polen) geboren, 1945 flüch- tete seine Familie und zwei weitere Familien mit 80 Pferden gen Westen. „Ich habe die Bilder heute noch vor Augen: Tote Pferde lagen mit aufgeblähten Bäuchen und den Beinen nach oben am Straßenrand – wie Obstbäume. Ich hatte ein Trauma.“ Mit elf Pferden kamen die Familien letztendlich im Wendland im östlichen Niedersachsen an. Ohne die Tiere hätten sie wohl nicht überlebt. Das Thema Pferd zieht sich durch sein Leben und durch seine Kunst. Sein „bestgehasstes Werk“, so Goertz, sei der Musengaul, der seit 1981 abstrakt auf drei Beinen vor dem Badischen Staatstheater in Karlsruhe steht und aktuell in der Ausstellung „Der allegorische Blick“ im Heidelberger Schloss- garten zu sehen ist. „Ein Pferd, das keinen Reiter braucht, sich vom Schwanz zum Kopf hin selbst lenkt. Ein Monumentalwerk aus verschiedenen Materialien, für das ich damals sehr viel Schimpf und Schande erfahren habe.“ Das umstrittene Werk schlug enorme
Wellen und ging weltweit durch die Presse. Goertz: „Mit meiner Kunst fordere ich eine pluralistische Ge- sellschaft zum gedanklichen Widerspruch heraus und erwarte von der Gesellschaft besonnene Toleranz und den entsprechenden Respekt vor der Leistung eines anderen.“ Die Kritiker brachten ihn nicht vom Weg ab.
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