Page 37 - Spielfeld_Mai_2020
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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   Ich muss selbst erst mal gucken, ob man sie noch sieht“, sagt Oliver Baumann lachend. Seine Narbe am operierten linken Knie ist fast in Vergessenheit
geraten – angesichts der Corona-Pandemie, aber auch wegen seiner Rückkehr ins Tor der TSG Hof- fenheim nach gerade einmal fünf Wochen. Dabei saß der Schock tief, damals im Januar dieses Jahres, als Baumann aus dem Winter-Trainingslager in Marbella abreisen musste. „Es war meine allererste schwere Verletzung“, sagt Baumann. „Nie zuvor habe ich länger pausieren müssen. Ich hatte null Erfahrung mit so einer Situation.“ Seit seinem Aufstieg zum Stammtorhüter beim SC Freiburg im Jahr 2010 hatte Oli Baumann ganze vier (!) Liga-Spiele pausiert.
Kein Fußballer in Deutschland hat im vergangenen Jahrzehnt mehr Bundesliga-Spiele absolviert als der TSG-Keeper, der es auf 316 Einsätze brachte. Das erklärt auch die Unsicherheit, die Baumann in den Flieger heim nach Deutschland begleitete. „Ich hatte ja auch keinen stechenden Schmerz verspürt, nicht diesen einen auslösenden Moment gehabt, in dem du weißt: Oh, da ist jetzt was gerissen.“
Es fühlte sich an, als habe er sich den Fuß vertreten, nichts Dramatisches – aber das Wissen um das eigene Körpergefühl alarmierte den 29-Jährigen: „Ich spürte: Das Knie ist nicht in Ordnung.“ Die Behandlungen vor Ort bestärkten ihn, nach der Rückkehr folgte in Heidelberg sofort das MRT. „Und dann rief der Doc an und sagte nur lakonisch ‚Oli, es ist gerissen.‘“ Baumann kann heute darüber schmunzeln, im Januar aber hätte er den Arzt verfluchen können. „Ein biss- chen mehr Empathie wäre schon schön gewesen“, lacht Baumann. Meniskusriss im linken Knie – ein heftiger Augenblick. „Im ersten Moment war ich echt schockiert über die Diagnose und schon etwas down“, gesteht Baumann. Doch Zeit zum Grübeln blieb nicht. Sofort suchte er einen Knie-Spezialisten, wurde in Innsbruck fündig. Am 12. Januar wurde er in Österreich bereits operiert, ein arthroskopischer Eingriff, bei dem nur eine winzige, wenige Millimeter
große Narbe zurückbleibt. Bei der Arthroskopie blickte der Arzt durch ein Endoskop mit einer kleiner Kamera in das Kniegelenk und nähte den zerrissenen Meniskus wieder zusammen. Am nächsten Morgen schaute Oliver Baumann aus dem Krankenbett in Innsbruck in das Gesicht des Hoffenheimer Präventiv- Trainers Christian Neitzert, der sich in Kliniknähe einquartiert hatte. „Ich dachte, er ist verrückt, aber ich habe tatsächlich im Bett unter Neitzis Anleitung die ersten Reha-Übungen gemacht.“ Oliver Baumann war gerührt wegen dieser Fürsorge – obgleich er die Übungen, die zu Beginn Schmerzen verursachten, „natürlich gehasst habe – aber ich wusste, sie sind notwendig“. Und vor allem erfolgreich. Schneller als von allen erwartet konnte Oliver Baumann erst ins Training und dann in den Spielbetrieb wieder einsteigen. Am 15. Februar gegen den VfL Wolfs- burg feierte der Stammkeeper sein Comeback – ein schöner Moment trotz der 2:3-Niederlage. „Ich hatte nie Zweifel, dass ich wieder in die Top-Verfassung komme“, sagt ein selbstbewusster Baumann, der zugleich seinem Stellvertreter Philipp Pentke ein großes Lob zollt: „Penne hat das super gemacht und ich habe mich aufrichtig mit ihm gefreut, dass es während meiner Verletzungspause so gut gelaufen ist für und mit ihm. Und genauso spürte ich, wie er sich für mich freute, als ich wieder fit wurde. Wir haben in der Torhüter-Gruppe ein ausgesprochen harmonisches Miteinander.“
Nun aber ist das Duo gemeinsam mehr oder minder ausgebremst worden. Das Coronavirus samt des eingeschränkten Trainingsbetriebs fordert auch den Torhütern viel ab. „Es ist schon sehr intensiv, da wir ja zum Beispiel nicht mehr zu dritt, sondern maximal zu zweit eine Einheit haben“, berichtet Baumann. Doch das Körperliche ist nicht das größte Problem: „Es ist schwer, wenn es kein richtiges Ziel gibt, auf das man trainiert. Jeder hier weiß, dass es richtig ist, dass wir gerade pausieren, aber du willst zugleich als Sportler natürlich auch wissen, ob und wann es wieder los geht.“
Oliver Baumann steht seit 2014 im Tor der TSG.
In diesem Jahr war der 29-Jährige erstmals von einer schwerwiegenden Verletzung betroffen und musste operiert werden.
 
























































































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