Page 13 - Spielfeld_Mai_2020
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   SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
Alexander Rosen, wie lautet Ihre persön­ liche Hoffnung für den Rest der Saison, mit insgesamt 82 noch ausstehenden Partien? „Niemand hat sich diese Umstände gewünscht und keiner von uns kann etwas dafür, dass es im besten Fall Bundesligapartien ohne Zuschauer geben würde. Uns allen würden die Emotionen von den Rängen sehr fehlen, aber es geht um den Fortbestand der Liga und bei vielen Klubs auch um existenzielle Fragen. Ich sehe die Perspektive, dass wir es gemeinsam schaffen, diese Krise zu überstehen, auch wenn es sicher Veränderungen geben wird. Ich möchte die Bedeutung des Fußballs keinesfalls überhöhen, aber es war sehr schnell zu spüren, dass der Fußball für viele Menschen auch in diesen Krisenzeiten eine hohe Bedeutung hat. Es wäre schön, wenn wir dieses Bedürfnis befriedigen könnten. Unabhängig davon würde ich mich darüber freuen, wenn die sportlichen Entscheidungen über Meisterschaft, Europapokal und Abstieg nicht am Grünen Tisch fallen, sondern auf dem grünen Rasen.“
Wie würden Sie denn Bundesligaspiele ohne Zu­ schauer unter dem Gesichtspunkt der Fairness bewerten? Welche Bedeutung hätten sie auf den Wettkampf?
„Alle haben die gleichen Voraussetzungen und für jedes Team ist es eine neue, völlig veränderte Situation. Es wäre sicher spannend zu sehen, wie die Spieler auf Dauer mit dieser Atmosphäre klarkommen, ob gar ein Gewöhnungseffekt eintritt und was sich für Mechanismen ausbilden. Das ist eine besondere Herausforderung und es gibt dazu fast keine Erfah- rungswerte. Zudem liegt in dieser Aussicht eine für mich fast schon bizarre Note: Ich habe bereits vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass wir uns vom ursprünglichen Kern, nämlich dem Spiel an sich, nicht noch weiter entfernen dürfen. Seit Jahren ging es bei fast allen relevanten Indikatoren wie Klubumsätzen, TV-Geld, Zuschauerzahlen, Transfersummen oder Sponsoringeinnahmen ausschließlich nach oben und bis vor ein paar Wochen war noch kein Ende in Sicht. Allein die Bundesliga hat ihre Erlöse zuletzt auf mehr als vier Milliarden Euro gesteigert und stellt mit knapp 60.000 Arbeitsplätzen einen eige- nen Wirtschaftszweig dar. Ein Umsatzrekord jagte den nächsten und der Fußball nahm eine rasante Entwicklung, von der andere Branchen nur träumen
können. Höher, schneller, weiter – von allem mehr. Flankiert von einer sich ebenfalls rasant ändernden Medienwelt. Und plötzlich sehen wir uns wie alle Menschen aus heiterem Himmel mit einer noch nie dagewesenen Herausforderung konfrontiert. Auf eine gewisse Art und Weise wird die Bundesliga in den nächsten Wochen und Monaten von einem gigantischen Spektakel quasi auf das ursprüngliche Spiel Elf gegen Elf reduziert.“
Wie haben Sie persönlich denn diese Wochen der Ungewissheit erlebt?
„Beruflich und privat stehe ich wie nahezu alle Menschen auf diesem Globus vor großen, nie ge- sehenen, unbekannten Herausforderungen. So war und ist es für mich vor allem als Familienvater auch nicht leicht, auf all die Fragen in dieser Zeit die richtigen Antworten zu finden. Wir haben als Familie versucht, das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen und dabei war die berufliche Stabilität, die durch einen Arbeitgeber wie die TSG Hoffenheim gewährleistet wird, ein großartiger Faktor. Ich konnte diese Herausforderungen also aus einer privilegier- ten Situation heraus annehmen, dessen bin ich mir bewusst und dafür bin ich dankbar. Ansonsten habe ich die Vorteile genossen, die ein Leben außerhalb der Stadt in einem Haus mit Garten gerade in so einer Situation bietet und es war für mich ein völlig neues Gefühl am Wochenende nicht unterwegs zu sein. Ich konnte viel Zeit mit meinen beiden Söhnen verbringen und bin froh sagen zu können, dass es in meinem privaten Umfeld bisher keinen bekannten Krankheitsfall gab.“
Wie bewerten Sie denn den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema?
„Ich maße mir kein öffentliches Urteil über die Vorgaben der Politik, die Ratschläge der Experten oder die Berichterstattung diverser Medien an. Schon gar nicht beanspruche ich das Recht, den Umgang der Einzelnen zu kommentieren. Tatsäch- lich ist man wohl selten mit einem einzigen Thema in all seinen Facetten so massiv konfrontiert gewe- sen. Ich persönlich habe dabei vom ersten Tag an versucht mir ein detaillierteres Bild zu machen und Fragen zu stellen und ich gebe zu, dass ich über- rascht war, wie einseitig das Thema zu Beginn betrachtet und diskutiert wurde.“
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