Page 40 - Spielfeld_Februar_2020
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Zugleich öffnete er Weisweilers Gladbacher Fohlen um Berti Vogts, Günter Netzer und Jupp Heynckes Israels Türen. Am 25. Februar 1970 kam es vor 22.000 Zuschauern im Bloomfield-Stadion von Tel Aviv zu einem 6:0 gegen Schaffers Team, ein Abgeordneter der Knesset sprach von „Demütigun- gen“. Das Publikum allerdings jubelte den Spielern zu, „Vivat Germania“-Rufe waren zu hören. Die deutschlandkritische „Jerusalem Post“ notierte: „Die beste Vorstellung, die es je in Israel gab, guter Fußball in allen seinen Vollendungen“. Gleichwohl keine Idylle: Wegen des anhaltenden Terrors gegen den zivilen Luftverkehr war die Borussia in einer Maschine der Bundesluftwaffe geflogen. Selbst die größte Katastrophe, das Münchner Attentat des „Schwarzen September“ auf das israelische Olympiateam von 1972, hat die Sportbeziehungen nur einige Wochen stillstehen lassen.
Noch vor Weisweilers Mannen, an der Jahres- wende 1968/69, trug die U18-Auswahl des DFB drei Partien im Land aus, allerdings ohne Öffent- lichkeit und in neutralen Trikots. Der Reporter der linksliberalen Zeitung „Haaretz“ schaute trotzdem zu: Mit Paul Breitner und Uli Hoeneß (beide damals 17) habe er „die Fußballgötter von morgen“ gesehen. Am Ende des Buchs versam- melt Manfred Lämmer sämtliche Begegnungen zwischen israelischen und deutschen Jugend-, Männer- und Frauenteams auf Vereins-, Auswahl- und Hobbyebene, denen er von 1967 bis 2018 habhaft werden konnte: Es sind 307. Darunter lediglich vier A-Länderspiele, die Lämmer aber desto umfassender Revue passieren lässt, einige Misshelligkeiten bei den Mannschaftsbesuchen in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ein- geschlossen. Seit langem ist kaum noch jemand enttäuscht, wenn Deutschland gewinnt. Nach dem deutschen WM-Triumph von 2014 druckte die israelische Post sogar eine Sondermarke.
„Deutsch-Israelische Fußballfreundschaft“: Manfred Lämmer, Verlag DIE WERKSTATT, 304 Seiten, gebunden ISBN 9783730704202, Preis: 29,90 Euro
Im Essay „Deutschland und Israel“ von 2005 und einer „Nachbemerkung“ vom April 2018, acht Monate vor seinem Tod, hält der große Amos Oz drei Grundsätze fest, die für beide Staaten und Gesellschaften konstitutiv sein sollten. Es kann „keine Normalisierung“ in dieser Beziehung geben, lautet der erste, „eine Intensivierung“ hingegen sehr wohl. Der zweite: „Kritik an Israel“, etwa als „Be- satzerstaat“, müsse sich des prekären Übergangs zum „entfesselten Antisemitismus“ von rechts wie links bewusst sein. Schließlich: Es kann nicht um eine „Wiedergutmachung“ für den Holocaust gehen, wohl aber um bleibendes Erinnern.
„Zahor – Erinnere dich“ heißt der 2018 veröffentlichte Kurzfilm über das Schicksal der Hoffenheimer Juden während der Nazizeit, dem das TSG-Mittelfeldtalent Ilay Elmkies die Erzählerstimme leiht – und in dem er, ganz im Sinne von Amos Oz, als „Nachkomme der Vertriebenen und Ermordeten“ von der Un- möglichkeit spricht, wirklich zu verstehen, was damals geschah. Wir sollen wissen, wir sollen erinnern. Letztlich begreifen lässt sich ultimativ Böses nicht.
Historischer Wimpeltausch: Am 25. März 1987 trat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft um Kapitän Lothar Matthäus zum ersten offiziellen Länderspiel gegen Israel im Ramat-Gan-Stadion von Tel Aviv an.
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