Page 110 - Spielfeld_Februar_2020
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   nter Uns
HEUTE: GEFÜHLE IM KELLER
Hermann:
Sag’ mal Heinz, mal nur unter uns Pastorentöchtern: Hat die Hilde Dir schon mal fehlendes Fingerspitzengefühl vorgeworfen?
Heinz und Hermann sind Freunde. Sagen sie zumindest. Dabei sind sie selten einer Meinung. So diskutieren sie lieber eifrig am Tresen über die wichtigen Dinge – Fußball zum Beispiel.
Hermann:
Genau. Nicht zu erklären.
Heinz:
Aber falsche Entscheidungen gab es doch immer schon. Da sollte man nicht immer nur motzen, dass alles schlechter geworden wäre durch den Videoschiri.
Hermann:
Aber wenn das Neue nicht besser ist als das Alte, dann kann ich das Alte auch behalten. Da weiß ich zumindest, was ich habe – und hab’ mich mit den Defiziten arrangiert. Frag’ mal die Hilde ... (lacht)
Heinz:
Also ich bleib dabei: Videobeweis ist schon okay. Und konsequente Schiedsrichter auch.
Hermann:
Kennst Du ja von zu Hause. (lacht) Aber selbst Hilde gibt Dir nicht innerhalb von zehn Sekunden Gelb- Rot, weil du nach ‘ner strittigen Aussage zwei Mal abwinkst und fluchst.
Heinz:
Ich sag’ mal: Vorbildfunktion und so. In der A-Klasse beim SV Waldhilsbach gucken die doch auch bei
der Bundesliga hin – und da ist doch gut, wenn die sehen, dass man sich nicht wie Herr Plea benehmen sollte.
Hermann:
Da kennst du die Jungs aber schlecht. Die gucken doch Fußball ständig in der Gladbach-Hütte. Aber sei’s drum. Gewalt geht nicht. Nie. Das weiß’ eigentlich jedes Kind. Aber glaubst Du wirklich, dass hilft einem Amateur-Schiedsrichter, wenn der Plea bei so ‘ner Lappalie vom Platz fliegt?
Heinz:
Ja, weil es keine Lappalie ist. Respekt ist angesagt.
Hermann:
Ich sag’ es mal so: Da wäre mir der Respekt in Bus und Bahn, auf der Straße und bei Facebook echt wichtiger. Da gibt’s jede Menge Rote Karten zu verteilen. Tag für Tag, Post für Post.
Heinz:
Da bin ich bei Dir. Prost für Prost.
Hermann:
(schlägt die Hände vors Gesicht) Respekt für Dein selektives Hören. Darauf trinken wir. Prost.
  Heinz:
(starrt auf seine Hände) Ich hab’ 36 Jahre auf dem Bau geplackert. Guck’ Dir die Schaffballe doch an. Da ist Feingefühl ganz schön viel verlangt.
Hermann:
Klar, dass die Hilde schon glücklich ist, dass sie beim Streichen über den Oberarm den Unterschied zwischen Deinen Pfoten und Schmirgelpapier erkennt. Aber dafür kannst Du ja mit Worten einfühlsam sein.
Heinz:
Hä?
Hermann:
Vergiss es (lacht). Lass uns über Fußball reden.
Heinz:
Da hab’ ich ein feines Gefühl. Zumindest, was unsere TSG angeht.
Hermann:
Wie kommt’s, Du alter Nörgler? Bist doch sonst die reinste Motzpuppe.
Heinz:
Hab’ ich mir mühsam abgewöhnt. Gibt immer gleich ‘ne Verwarnung von der Hilde, wenn ich mal lauter werde beim Meckern.
Hermann:
Die Hilde ist halt nicht so für Reden. Und wenn Du sie anschließend zum Kartoffeln holen schickst, kommt sie mit der Roten Karte aus dem Keller zurück. (lacht laut)
Heinz:
Dafür braucht sie nicht mal ‘nen Videobeweis.
Hermann:
Wir doch auch nicht mehr. Macht ja inzwischen ohnehin jeder Schiedsrichter, was er will.
Heinz:
Naja, es gibt ja schon noch Regeln.
Hermann:
Sicher? Der Hertha-Spieler kriegt Gelb-Rot, weil er nach einem üblen Foul gegen sich frustriert eine Kiste wirft. Der Schalker Übeltäter kriegt gar nix – dafür sieht sein eigener Trainer Rot, weil
er dem Gefoulten aufhelfen wollte. Wenn Du das sauber argumentiert bekommst, kannst Du direkt habilitieren.
Heinz:
Habi...? Hä?
   Bildquelle: www.gettyimages.de, Max2611, Creativ Studio Heinemann, Dmitr1ch, kyoshino, TARIK KIZILKAYA.









































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