Page 12 - Spielfeld_Januar_2020
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Wir freuen uns sehr, dass wir Sie beide zum Gespräch an einen Tisch gebracht haben. Es soll weniger um Viererkette als vielmehr um Verantwortung gehen. Welche Rolle soll der Fußball einnehmen? Da wir uns in der von Dietmar Hopp gestifteten KLIMA ARENA in Sinsheim befinden, stellen wir die naheliegende Frage: Inwieweit ist auch der Klimawandel ein Thema des Fußballs?
Andreas Rettig: „Ich habe das Thema nicht entdeckt, weil Greta Thunberg durch das Land gelaufen ist. Ich bin in Freiburg sozialisiert worden, der Stadt mit dem ersten grünen Oberbürgermeister in Baden-Würt- temberg. Beim SC Freiburg waren wir die ersten in der Bundesliga, die auch Solaranlagen auf das Dach gesetzt haben und als ich beim FC Augsburg war, haben wir dort das Stadion CO2-neutral gebaut. Das Thema interessiert mich aus tiefer Überzeugung und nicht weil es ‚en vogue‘ ist. Das Thema der Klimakatastrophe aber gerät – auch dank Greta – nun immer mehr ins Bewusstsein vieler Leute. Jetzt hat das Thema die Resonanz bekommen, dass es auch die Profivereine erreichen sollte. Das hoffe ich zumindest.“
Dietmar Hopp: „Wir hören und lesen seit mehr als 20 Jahren, dass sich das Klima ungünstig entwickelt. Immer häufiger verspürte ich große Sorgen, wie die Generation meiner Enkel in Zukunft leben wird. Das war dann 2014 der Impuls, eine Klima Arena als Informations- und Erlebnisort zu errichten. Der Klimawandel gerät mit dieser Klima Arena zusätzlich ins Bewusstsein vieler Leute, weil er hier nahbarer, spürbar, erlebbar geworden ist. Die Sommer wer- den heißer, Weihnachten ist nahezu immergrün, Überschwemmungen nehmen zu. Es ist nicht mehr abstrakt, wenn Wissenschaftler darüber reden. Wir alle tragen Verantwortung dafür, was aus diesem Planeten wird. Und ich hoffe ebenfalls, dass sich der Profifußball dieser wichtigsten Zukunftsfrage stellt.“
Andreas Rettig nimmt sich nach dem Interview, das über eine Stunde dauert, noch die Zeit, von Bernd Welz, dem Vorstand der Klimastiftung für Bürger, durch die KLIMA ARENA führen zu lassen. Rettigs Fazit: „Beeindruckend, was Dietmar Hopp hier geschaffen hat.“
Brauchen wir Greta Thunberg und die Bewegung Fridays for Future noch, um diejenigen zu über- zeugen, die den menschengemachten Klimawandel noch immer leugnen?
Hopp: „Greta brauchen wir tatsächlich noch, aber nicht in der Form, wie es zuletzt übermäßig betrieben wurde. Aktionen wie die Atlantik-Überquerung wirkten wie eine PR-Aktion, die von ihrem Umfeld geplant wurde. Aber ohne Frage hat dieses Mädchen etwas in Bewegung gebracht, obwohl es nach meiner Ansicht
unverantwortlich ist, wie ihre Eltern und Berater sie überstrapazieren. Die Freitagsdemos waren wichtig, nun aber sollte der Protest in eine neue Phase übergehen, die Kinder müssen zur Schule, denn sie brauchen Bildung für ihr späteres Leben. Sie müssen auch lernen, wie der Klimawandel abzuwenden ist – dazu ist die Klima Arena als außerschulischer Lernort ja da. Wir brauchen tatsächlich massive Anstrengungen, die ich mir von der Politik wünsche. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum nicht massive Anstrengungen unternommen werden, um die Wasserstoff-Technik voranzubringen, obwohl jeder weiß, dass Elektromo- bilität keine echte Perspektive besitzt.“
Der Ton zwischen den beiden Diskutanten ist wäh- rend des gesamten Gesprächs offen, klar, durchaus unterschiedlich geprägt, aber immer verbindlich. Auffällig: Das gegenseitige Interesse am Austausch, an den Argumenten des anderen. Etwas, dass man in den erhitzten wie unversöhnlich geführten Debatten der heutigen Zeit oft vermisst.
Inwieweit stellt diese Bewegung auch dem Fußball eine Aufgabe, Herr Rettig?
Rettig: „Ich kann Herrn Hopp nur zustimmen, was das Thema Greta samt Hype betrifft. Jetzt sind wir alle, vor allem die Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Sport gefordert, diesen Ball aufzunehmen. Aber im Fußball ist unser Denken zu verhaftet in Themen, wie möglichst viel Geld generiert werden kann. Es ist falsch, sich jedes Jahr nur über Umsatzsteigerungen und Erlösmaximierung zu definieren, so wichtig auch das ist. Aber es ist eben nicht das allein Seligmachen- de. Ich bin kein Träumer, wirtschaftliche Vernunft wird bei mir großgeschrieben. Wir dürfen Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausspielen. Aber wir müssen sie wenigstens gleichberechtigt nebeneinanderstellen.“
Hopp: „Mehr als das ist nötig. Der Druck, dass auch der Fußball aktiv wird, ist groß. Und ich sehe die Chance, dass dies geschieht. Wir als TSG Hoffen- heim können mithelfen und zeigen, dass man sich in verschiedenen Formen und Projekten engagieren kann. Das sieht man auch an dieser Klima Arena. Die TSG hat eine Vielzahl von Nachhaltigkeits-Initiativen gestartet, zum Beispiel indem sie im August 2019 alle ihre Aktivitäten unter eine Klimaneutralität gestellt hat. Wichtig ist auch, dass wir bei diesem Thema die Fans mitnehmen. Ich habe da insbesondere das Klima-Ticket im Blick, bei dem die Zuschauer für ihre Heimspielkarte einen Euro mehr zahlen. Auch in Mainz, bei St. Pauli, Freiburg oder Bremen hat die Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Es wäre aber auch wichtig, wenn ein großer Player wie der FC Bayern München oder Borussia Dortmund sich diesen Themen öffnet, um einen möglichst großen Nachahmungs- und Sogeffekt zu erzielen.“
VERANTWORTUNG






















































































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