Page 106 - Spielfeld_Januar_2020
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  nter Uns
HEUTE: TINDER IM ABSEITS
Heinz:
Sag’ mal Hermann, jetzt mal nur unter uns Pastorentöchtern: Wer ist denn nun Deine heimliche Nummer 1?
Hermann:
Hä? Das geht Dich gar nichts an.
Heinz:
Quatschkopf. Ich meine: Neuer oder Nübel? Da musst Du doch auch eine Haltung dazu haben. Scheint ja das größte Thema zu sein seit Merz gegen AKK oder zumindest Kahn gegen Lehmann 2006. Nur ohne Zettel im Stutzen.
Heinz und Hermann sind Freunde. Sagen sie zumindest. Dabei sind sie selten einer Meinung. So diskutieren sie lieber eifrig am Tresen über die wichtigen Dinge – Fußball zum Beispiel.
Hermann:
Entschleunigung, Heinz. Downshifting ist das Zauberwort. Immer ganz ruhig bleiben, sich Zeit nehmen. Das ist auch wichtig. (verstellt die Stimme und näselt) Und wer hat’s erfunden?
Heinz:
(achselzuckend) Der Schweizer?
Hermann:
Der Ricola-Mann ist unschuldig. Das muss der DFB im Kölner Keller gewesen sein.
Heinz:
Der Videoschiedsrichter. Oder wie wir sie nennen: Die Zeitdiebe, wie die ‚Grauen Herren‘ bei „Momo“.
Hermann:
Da kannst du auf die Abseits-Entscheidung und die kalibrierte Linie warten wie früher auf den Beginn von Kung-Fu Master beim C64 auf Datasette.
Heinz:
Deshalb wollen sie ja Abseits erst ab einem halben Meter überprüfen und korrigieren – wenn ich das so richtig verstanden habe. Also, wenn der Stürmer so richtig im Abseits steht, quasi.
Hermann:
Und davor steht er so halb im Abseits, oder was? So halb abseits wie halb schwanger.
Heinz:
Ist halt ein Kompromiss. Eine Lösung für die so Halb-Mutigen.
Hermann:
Du meinst, es kann nicht jeder ein Klinsmann sein? Der, der mit dem Big City Club in fünf Jahren die Meisterschalte holt, meinst Du? Ich sag’ mal: Hart, härter, Hertha. Oder, um in der Marketing-Sprache zu bleiben: „We try. We win. We fail.“ Oder war’s andersrum?
Heinz:
Das gucken wir dann. Im Stream. Dauert ja auch noch. Und ruckeln wird es in Berlin auf jeden Fall.
Hermann:
Und in der Zwischenzeit trinken wir darauf einen: Prost!
Heinz:
(guckt skeptisch auf sein Bierglas) Das sehe ich auch ohne kalibrierte Linie – der Eichstrich ist doch weiter oben. Na ja, was soll’s: Prost!
  Hermann:
Wird auch bestimmt bald verfilmt, unter dem Titel: „The Protagonist“
Heinz:
Und wer ist nun Deine Nummer 1?
Hermann:
Die politische korrekte Antwort lautet: Hilde.
Heinz:
Und die ehrliche?
Hermann:
Die spontane wäre Oliver Baumann. Aber sag das der Hilde nicht. Sonst lässt die mich auswärts nicht mehr mit – und ich muss die TSG im Fernsehen gucken.
Heinz:
Bald wohl eher am PC. Ich sag’ nur Streaming. Da kannst Du Dir für die Bundesliga auch bald Emerson Prime, Dä Sohn oder ein Zalando-Abo holen.
Hermann:
Ich schrei vor Glück. Im Ernst: Wieso Zalando?
Heinz:
Was weiß denn ich, wer da noch alles im kommenden Jahr auftaucht und Spiele übertragen will. Ich glaube jetzt eher nicht, dass die Rechte am Ende bei ARD, ZDF und Arte landen werden.
Hermann:
Ich hab’ nichts gegen Streaming. Analoges Fernsehen ist out, so ist der Lauf der Dinge. Unser Tanztee heißt heut auch Tinder.
Heinz:
Aber kein Tinder-Date ruckelt so wie mein Internet.
Hermann:
„Heute singt für Sie“... das Niveau.
Heinz:
 Okay, im Ernst: Ich lese ständig von 5G. Mir würde bei mir auf dem Berg schon reichen, wenn das Internet einmal geht. Wenn ich ein Champions-League-Spiel auf DAZN gucken will, muss ich mir doch ‘nen Tag Urlaub nehmen.
  Bildquelle: www.gettyimages.de, Max2611, Creativ Studio Heinemann, Dmitr1ch, kyoshino, TARIK KIZILKAYA.







































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