Page 83 - Spielfeld_Dezember_2019
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                                  SPIELFELD TSG HOFFENHEIM 83
Wie ein großartiger
Spielzug
Von Jochen Hieber
„Nicht wie ihr“, der erste Roman von Tonio Schachinger, ist ein Glücksfall für den Fußball und die Literatur.
 Von Jochen Hieber
 Als Aufsteiger direkt an die Spitze: „Nicht wie ihr“, das Erstlingswerk des 27 Jahre alten Österreichers Tonio Schachinger, hat sich auf Anhieb als bisher bester Fußballroman in deutscher Sprache erwiesen. Vor drei Monaten erschienen, gelangte er dank einer aufmerksamen Jury umgehend auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Die Auszeichnung selbst hat er zwar nicht erhalten, sie ging an den 1978 in Bosnien geborenen, in Heidelberg auf- gewachsenen Saša Stanišić für den (seinerseits höchst lesenswerten) autobiografi- schen Roman „Herkunft“. Aber dass es ein literarisches Buch, welches vom Fußball handelt, überhaupt unter die sechs bes- ten deutschsprachigen Romane des Jahres 2019 schaffte, ist kaum weniger überraschend als die Prognose, Österreich werde im nächsten Sommer Europameister.
Der Fußball bringt oft bemer- kenswerte Sachbücher hervor,
dem fiktionalen Erzählen gegenüber hat er sich fast immer als widerständig gezeigt – er ist einfach zu schnell und zu oberflächlich für wirklich gute Erzählliteratur, die den langen, tiefen Atem benötigt. Der bisher berühmteste deutsche Fußballroman ist das inzwischen 65 Jahre alte Jugendbuch des legendären Reporters und Kabarettisten Sammy Drechsel: „Elf Freunde müsst ihr sein“. Der Titel hat sich (nicht erst) in Zeiten des individuellen Erfolgsstrebens als unrealistisch herausgestellt, ist aber als Sprich- wort – und als Verheißung – unerschütterlich geblieben. „Nicht wie ihr“, Schachingers Titel, klingt wie die Gegenrede dazu.
Der ganze Roman ist eine Gegenrede zur Idee, der Fußball sei ein Gemeinschaft stiftendes Spiel. Die Botschaft lautet eher: Das Wich- tigste an ihm ist der Star. Der Star aber ist nicht nur nicht wie wir, die Zuschauer, Be- richterstatter und Fans, sondern von Natur aus auch ein Einzelner und ein Egoist – wo- möglich muss er das sein, um als Star zu bestehen. Gleich der erste Satz fasst dies lakonisch in eine hintergründige Momentauf- nahme: „Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo gera- de sitzt.“ Neben der elsässischen Nobelmar- ke finden sich in der Garage von Ivos Villa ein Aston Martin und als Familienkutsche ein Range Rover, gern bemüht wird der Limo- Service, Chauffeur inklusive.
  EMPFEHLUNG DES HAUSES
























































































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