Page 74 - Spielfeld_Dezember_2019
P. 74

74
Mit Schmid (35) arbeitet er daran, dem Bäckerhand- werk ein anderes Image zu verpassen. „Vielfältig, modern und kreativ. Dafür kombinieren wir Tradition mit Moderne, das gute alte Handwerk unserer Väter mit neuen Ideen.“ Klassikern wie dem Dresdner Weihnachtsstollen stellen sie ihr eigenes Rezept eines Sommerstollens (mit getrockneter Ananas, Kokos- raspeln und Cachaça) gegenüber, die Odenwälder Bauernkruste wird zum „Beschwipsten Bauer“ mit dunklem Weizenbier. Hirth: „Wir sind immer auf der Suche nach dem ultimativen Brot-Kick.“
Nach zehn Minuten stoppt er die Maschine, wirft den Teig auf einen Holztisch. Der müsse nun eine Stunde ruhen, aber er habe da mal was vorbereitet. Hirth holt einen neuen, ausgeruhten Teigball und legt Hand an. Beim Backen komme es auf das Fingerspitzengefühl an. „Und das kommt nur mit der Erfahrung.“ Zeit sei der wichtigste Faktor für ein gutes Brot. Hirth nennt es die „fünfte Zutat“ – neben den Grundzutaten Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Über die Wildbakers-Rezepte sagt Hirth: „Die bekommt jeder gebacken.“ Marketing beherrscht er mittlerweile ähnlich gut wie die sanfte Teigmassage. „Wir bekommen Aufmerksamkeit“, stellt
der Meisterbäcker fest. Der Beweis: 2018 erhielten Hirth und Schmid als erste Bäcker den GastroStern. Bisher war das Starköchen wie Nelson Müller oder Alfons Schuhbeck vorbehalten.
Brot ist ein gutes Stück Deutschland. Hierzulande gibt es mehr als 3200 anerkannte Brotspezialitäten, eine weltweit einzigartige Vielfalt. 2014 wurde die deutsche Brotkultur in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. „Wir sind in Baden-Württemberg ja verwöhnt, es gibt hier unheimlich viele gute Bäcker“, erklärt Hirth.
Dennoch hat sich im Bundesland, parallel zum Deutschlandtrend, die Zahl der Betriebe innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 2318 auf 1681 re- duziert. „Die backenden Betriebe werden weniger, die Filialen dagegen mehr.“ Hirth selbst beschäftigt 80 Mitarbeiter in acht Filialen. „Wir backen etwa 800 Brote am Tag, jedes wird von Hand abgewogen und geformt.“ Woran man ein perfektes Exemplar erken- ne? „Ganz einfach: Wenn Du nicht mehr dazu brauchst als ein bisschen Butter, damit es noch besser schmeckt.“
 Wirbeln Mehl in ihrer Branche auf: Hirth und Schmid wollen das Bäckerhandwerk von seinem verstaubten Image befreien. Dafür kombinieren sie Tradition mit Moderne und behaupten: „Backen ist sexy.“
REGION



























































































   72   73   74   75   76