Page 70 - Spielfeld_November_2019
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Salo ist das absolute Paradebeispiel. Wie sie ihre Behinderung wegsteckt – beeindruckend. Sie ist so ein Mensch, bei dem jedem das Herz aufgeht“, sagt Coach Rudi Sonnenbichler. Er
trainiert die Sitzvolleyballer des Vereins Anpfiff Hoffenheim jeden Dienstag- und Freitagabend in der Sporthalle „Am Großen Wald“. Salo heißt eigentlich Salome Hermann und eigentlich ist gerade Trainingspause, doch sie arbeitet weiter. „Was wir hier machen, ist echte Inklusion“, sagt der 74-jährige Sonnenbichler. Sportler mit und ohne Behinderung spielen zusammen – statt auf den Beinen, baggern und pritschen sie im Sitzen. Hermann reißt vorne am Netz ihre Arme nach oben, blockt einen Angriffsschlag und ballt die Faust. Ehrgeiz, soziale Empathie, Intelligenz – sie habe alles, findet ihr Trainer.
Vor allem aber hat sie einen unbändigen Willen. Im Alter von zwölf Jahren riss die junge Salome eine Diagnose völlig unerwartet aus dem Alltagsleben. Nach einer Fußball-Verletzung an der linken Wade entwickelte sich ein Hämatom, das allerdings zwei Monate nicht abklang. Die Ärzte beschlossen zu operieren und fanden unter dem Hämatom einen faustgroßen Tumor: bösartig. Zwei Tage später startete die Chemotherapie. Eine große Operation, Bestrahlungen, kein Sport, kaum soziale Kontakte. Hermann wog weniger als 40 Kilo bei einer Körpergröße von 1,60 Meter. Dann nach einem Jahr die gute Nachricht: endlich tumorfrei. Zweieinhalb Jahre spä- ter hatte sie ihren Realschulabschluss in der Tasche und begann ein Freiwilliges Soziales Jahr. „Ich wollte einfach mal leben. Ohne Schule und Krankenhaus.“ Doch gerade einmal vier Wochen später der Rückschlag: ein neuer Tumor im Kniebereich, Schatten auf der Lunge, Verdacht auf Metastasen. Ob sie überleben würde, war unklar.
Sonnenbichler schaut zu, wie Hermann beim Trainingspausenspiel- chen um jeden Ball kämpft, über den Hallenboden rutscht, hechtet, faustet, pritscht, baggert, brüllt. Seit 2014 spielt sie dort, in jenem Jahr initiierte Sonnenbichler mit Unterstützung von „Anpfiff ins Leben“ in Hoffenheim ein Sitzvolleyball-Team. 2015 gründete sich dann der Sportverein Anpfiff Hoffenheim, einer von deutschlandweit aktuell zehn Klubs, der die Sportart anbietet. Seit 2014 gehört Hermann auch zum Kader der deutschen Sitzvolleyball-National- mannschaft (Position: Libera), mit der sie dieses Jahr bei der Europameisterschaft in Budapest den vierten Platz belegte. Eigent- lich ein historisch gutes Ergebnis, waren sie doch das erste deutsche Frauenteam, das je den Einzug ins Halbfinale schaffte. Aber das ganz große Ziel – die Qualifikation für die Paralympics 2020 in Tokio – verpassten sie knapp.
„Auf dem Spielfeld ist es völlig egal, ob du ein Handicap hast oder nicht. Sitzvolleyball baut Barrieren ab. Das ist so wertvoll.“
Die Regeln
Beim Sitzvolleyball können Behinderte und Nicht- behinderte zusammenspielen. Die Sportart wird auf dem Hallenboden sitzend gespielt, ansonsten gelten bis auf folgende Ausnahmen die normalen Volleyballregeln:
• Das Netz ist bei den Frauen 1,05 Meter, bei den Männern 1,15 Meter hoch.
• Das Spielfeld ist kleiner, insgesamt 10 x 6 Meter.
• Der Aufschlag darf geblockt werden.
• Netzberührung gilt nur an der oberen Netzkante.
• Bei offiziellen internationalen Veranstaltungen müssen mindestens fünf Spieler mit einer Behinderung pro Mannschaft auf dem Feld sitzen. Zusätzlich darf ein sogenannter „Mi- nimal Handicap Player“ (ein Spieler mit einer Einschränkung, wie etwa ein instabiles Knie- gelenk oder ein versteiftes Sprunggelenk) aufs Feld. In Deutschland wird das Spiel inklusiver gespielt, auch Nicht-Behinderte dürfen aufs Feld. Während international Männer- und Frau- en-Teams getrennt an den Start gehen, sind die Mannschaften in Deutschland gemischt.
    Salome Hermann
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