Page 67 - Spielfeld_September_2019
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 SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
35 Minuten vor Spielbeginn holt der Herr der Fahnen seine Truppe am ausgemachten Treffpunkt vorm Stadion ab. Die Stimmung ist ausgelassen, die Vorfreude spürbar. „Endlich wieder Fußball“ ruft einer, „Auf geht’s“ ein anderer. Gemeinsam ziehen sie in die Fanwerkstatt, Tandler hält eine kurze „Kabinen“-Ansprache: Schön, dass es wieder los geht, keine Taschen im Gang liegen lassen und bitte die Ausweise für die Ordner sichtbar tragen. Der Ablauf ist längst verinnerlicht: Zehn Minuten vor Anpfiff stellen sie sich am Ende des Heimbus-Tunnels auf. Kurz bevor das Badnerlied aus den Boxen tönt, betritt Martin Bayer mit der Baden-Fahne als erster das Feld und reckt den gelb-roten Stoff am Elfmeterpunkt vor der Südtribüne in den Himmel. Die anderen beziehen in aller Regel zum Badnerlied in festgelegter Reihenfolge ihre Plätze auf dem Rasen, warten bis die Stadionuhr auf 15.25 springt und leisten dann, bis die Einlaufskinder vom Platz gehen, Schwenk-Schwerstarbeit – immer im Rhythmus und der Form einer Acht.
Vor den Achten kommt der Aufbau: Im Gang drehen sie die einzelnen, ein Meter langen Stangenelemente auf die passende Größe fest: fünf oder sechs Meter. Desirée Willfahrt aus Epfen- bach ist gerade fertig und befestigt die Fahne des Fanverbands Supporters Hoffenheim. Die 37-Jährige ist eine der Neueren im Team und eine der wenigen Frauen. „Ich bin jetzt im dritten Jahr dabei, die Jungs haben mich sofort super aufgenommen.“ Es sei eine Ehre, die Fahne auf den Platz zu tragen. „Beim ersten Mal war ich richtig nervös, heute zum Saisonstart auch wieder. Das Kribbeln im Bauch ist eigentlich immer da“, sagt sie und knotet die riesige Fahne fest. Sie steht später vor der Gegengerade auf Höhe der Eckfahne. Neben dem Fanverband ist sie Mitglied der Blue Dragons. Deren Fahne schwenke sie auch gelegentlich.
Jürgen Imhof repräsentiert seinen Fanklub „Mythos-Hoffe“ schon seit zehn Jahren auf dem Rasen. Nervös sei er nicht mehr, aber das Gefühl „mitten in diesem Kessel“ zu stehen, packe ihn jedes Mal aufs Neue. „Wenn die Kurve jubelt und singt, klingt das da unten ja nochmal völlig anders als auf den Rängen.“ Auch Joachim Gärtner von den Neckarlöwen wird da emotional: „Ich habe jedes Mal Gänsehaut, wenn ich mit der Fahne einlaufe.“ An einen Moment denkt er besonders gern zurück. Sein Weg vom Platz führte ihn beim letzten Saison-Heim- spiel an Coach Julian Nagelsmann vorbei. Gärtner gab ihm die Hand, dankte ihm für die Zeit bei der TSG und wünschte alles Gute. „Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen“, sagt der 58-Jährige und lacht. Lothar Glück aus Obrigheim trägt seit Beginn die Länderfahne, die den Großteil der Nationalitäten der TSG-Spieler repräsentiert. Sie ist mit sieben auf fünf Meter das größte Stück Stoff – 35 Quadratmeter und etliche Kilos Vereinsliebe. „Wenn sie mal oben ist, lässt sie sich gut schwen- ken, aber bis sie oben ist, kostet es schon Kraft“, sagt der 61-Jährige.
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