Page 77 - Spielfeld_August_2019
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM 77
  giltdasauch Die zweite für Alltags- hilfreiche situationen. Strategie
Das Entstehen
von ungünstigen
Emotionen lässt
sich verhindern
durch Umbewertung, Relativierung, Ablenkung und Distanz zur emotionsauslösenden Ursache („Ist doch gar nicht schlimm.“). Diese Fähigkeit müssen Spieler, Trainer und auch Schiedsrich- ter zum Beispiel beherrschen, wenn sie vom gegnerischen Publikum beschimpft werden. Schwieriger wird dies, wenn Gegenspieler ständig provozieren. Das permanente aktive Unterdrücken der emotionalen Reaktion – ein Prozess, der auch als Inhibition bezeichnet wird – ist Aufgabe des bewussten Denkens. Das ist anstrengend und kostet Energie. Wenn der Stress hoch ist, können die Kapazität und das Arbeitsvermögen des bewussten Denkens erschöpft werden, so dass die Fähigkeit zur Inhibition leidet. So war wohl auch das unsportliche, mit einer Roten Karte bestrafte Verhalten des Franzosen Zine- dine Zidane im WM-Finale 2006 zu erklären, als er seinen italienischen Gegenspieler Marco Materazzi mit einem absichtlichen Kopfstoß niederstreckte. Nachdem er von Materazzi permanent provoziert worden war, waren dem heutigen Trainer von Real Madrid „die Siche- rungen durchgebrannt“, wie man eine negative Reaktion umgangssprachlich nennt.
„Ruhig Blut zu bewahren“ ist anstrengend und kostet Energie. Wenn der Stress hoch ist, kann das bewusste Denken an seine Grenzen stoßen und ein Fußballspieler lässt sich vielleicht zu einem Revanchefoul, einer Tätlichkeit oder einer Beleidigung hinreißen.
besteht dar- in, die Schuld woanders, aber nicht bei sich selbst zu suchen. Wenn es nicht läuft und Fehler passieren, der Gegner überlegen wirkt, ist es sympathisch und vernünftig, die Ursa- che dafür bei sich selbst zu suchen. Aber die Selbstbeschuldigung ist in einer schwierigen Wettkampfsituation kontraproduktiv. Wer den ungünstigen Wettkampfverlauf nur auf seine eigene Unzulänglichkeit zurückführt, erschüttert die Überzeugung von der eigenen Kompetenz. Doch diese Überzeugung ist sehr wichtig, da- mit erlernte Automatismen ungestört ablaufen können. Wenn es schwierig wird, sollte man sich nicht selbst im Weg stehen und nicht mit sich hadern. Für Zweifel ist in schwierigen Situati- onen kein Platz. Denn wer agiert, um lediglich den Misserfolg zu vermeiden, verhält sich eher passiv und vorsichtig. Erfolgsorientierte Sportler sind absolut von ihren Fähigkeiten überzeugt. Sie erklären Misserfolg durch äußere und vorüberge- hende Gründe („Pech gehabt!“, „Die Bedingungen waren schlecht!“) und führen gute Leistungen stets auf eigene Fähigkeiten zurück. Das kann man in Interviews erkennen, wenn Reporter nach einem Fehler fragen und die Spieler bestrei- ten, einen Fehler gemacht zu haben. Hilfreich kann es in schwierigen Situationen auch sein, den eigenen Anspruch herunterzuschrauben. Heute wird man eben mal nicht perfekt sein und glänzen, sondern es soll mal einfach und pragmatisch laufen – aber konsequent. Gerade dann geht es darum, besonders diszipliniert und akribisch die Kleinigkeiten abzuarbeiten. Versucht man dagegen, wenn es schwierig wird, das Besondere mit besonders starkem Willen zu erzwingen, gelingt unter Umständen sogar das
eigentlich Einfache nicht mehr zuverlässig.

























































































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