Page 8 - Spielfeld_Mai_2019
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 Kinder, wie die Zeit vergeht
  Es war das legendärste Abstiegs-Finale der Bundesliga: Als am 29. Mai 1999, vor nunmehr 20 Jahren, der letzte Bundesliga-Spieltag angepfiffen wird, müssen gleich fünf Teams noch bangen – obwohl Bochum und Mönchengladbach
schon als Absteiger feststanden. Die aussichtsreichste Position hat der 1. FC Nürnberg, der als Tabellenzwölfter mit 37 Punkten in die abschließenden 90 Minuten startet. Es folgten Stuttgart und Freiburg mit jeweils 36 Zählern sowie Rostock (35) und auf Rang 16 Frankfurt (34) – das zudem eine um fünf Tore schlechtere Torbilanz als Nürnberg aufweist.
Um 15.30 Uhr beginnt ein einzigartiges Abstiegsfinale, das sich immer weiter zuspitzt. Stuttgart geht früh 1:0 gegen Bremen in Führung und verabschie- det sich aus der Gefahrenzone. Rostock gleicht nach 77 Minuten in Bochum aus, steht aber dennoch vor dem Sturz in Liga zwei, da Freiburg in Nürnberg 2:0 und die Eintracht 3:1 gegen Kaiserslautern führt. Der Wahnsinn im Frankfurter Waldstadion aber, wo es zur Pause noch 0:0 gestanden hatte, geht erst richtig los. Bernd Schneider trifft nach 82 Minuten zum 4:1 für die Eintracht. Das Tor reicht, um im direkten Vergleich an Nürnberg vorbeizuzie- hen – und Hansa Rostock virtuell in Liga zwei zu schießen. Doch es ist noch längst nicht vorbei. Um 17.12 Uhr netzt Slawomir Majak in Bochum zum 3:2 für Rostock ein – und befördert Nürnberg auf Platz 16. Nur Sekunden später aber drehen sich die Gefühle im Frankenland von Bestürzung auf Hoffnung, als Marek Nikl per Kopf das 1:2 erzielt und der Club aufgrund der besseren Tordifferenz wieder an Frankfurt vorbeizieht. Die Eintracht benötigt als Tabellen-16. in den verbleibenden Minuten nun einen weiteren Treffer, um den Abstieg zu verhindern. Und das Wunder geschieht: Fjörtoft trifft in der 89. Minute zum 5:1. Das Waldstadion bebt. Freude, Angst und Fassungslosigkeit mischen sich zu einem emotionalen Cocktail. Fußball-Deutschland verfolgt die dramatische Hörfunk-Schlusskonferenz – und hört so den legendären Satz von Reporter Günther Koch: „Hallo, hier ist Nürnberg, wir melden uns vom Abgrund.“ Der Club hat keine Antwort mehr und steigt am Ende ab – ein bis heute einzigartiges Drama. Und in Frankfurt adelt Jan Aage Fjörtoft den Trainer Jörg Berger, der die Eintracht mit vier Siegen in den abschließenden vier Saisonspielen sensationell noch zum Klassenerhalt führt: „Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet.“
HÄRRINGERS ECKE
Großer Jubel: Jan Aage Fjörtoft erzielt das entscheidende 5:1 (oben) und bejubelt danach den Klassenerhalt mit den Frankfurter Fans (unten).
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© 2019 Christoph Härringer, www.facebook.com/Spottschau



























































































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