Page 33 - Spielfeld_Mai_2019
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 Ermin Bičakčić bestreitet bereits seine fünfte Saison für die TSG Hoffenheim. Bičakčić und die TSG, das ist eine ganz besondere Beziehung geworden. Bei den Hoffenheimer Fans hat Ermin Kultstatuts erlangt, was den bosnischen Nationalspieler mit Stolz und Dankbarkeit erfüllt.
Die eindrucksvolle Entwicklung der TSG Hoffenheim ist seit diesem Jahr auch auf der Geschäftsstelle zu bestau- nen. Wie in einem Museum sind im Foyer Erinnerungen
an die Reisen quer durch den Kontinent und Geschenke der europäischen Rivalen ausgestellt: So etwa der „Liver Bird“, das Wappentier des FC Liverpool in Bronze, daneben eine silber- farbene Nachbildung des markanten, in einen Fels gebaute Stadion des SC Braga oder eine Replika des Lyoner Löwen. Über den Ausstellungsstücken, an der Fassade der Glasvitrine, sind die filmischen Höhepunkte der historischen Spiele in Europa- und Champions League via TV zu verfolgen.
Ermöglicht hatte sich Bičakčić die fußballerische Europa- und die mentale Zeitreise einmal mehr selbst: Zum einen durch eine überragende Leistung beim für die Qualifikation entschei- denden 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund – zum anderen durch eine starke Vorbereitung. Denn die Zeichen standen zwischendurch auf Abschied. Die Hoffenheimer Nummer 4 war „unzufrieden mit den Einsatzzeiten“ der Vorsaison und sondierte im Einverständnis mit der TSG den Markt. Der entstandene Eindruck, aufgrund der Neuverpf lichtungen nur noch „der Herausforderer zu sein und nicht mehr an der Spitze der Abwehr-Hierarchie“ zu stehen, störte den
bosnischen Nationalspieler: „Ich lese nicht viel, aber man bekommt solche Dinge natürlich zugetragen. Ich habe hier immer meine Leistung gebracht, da emp- fand ich einige öffentliche Einschätzungen schon als respektlos.“
Bičakčić antwortete so, wie er es immer getan hatte – als Mensch und als Fuß- baller: Er arbeitete hart, hängte sich rein und biss sich durch. „Mein Selbst- bewusstsein resultiert aus
meinen Misserfolgen und schwierigsten Momenten. Zu wis- sen, dass ich mich wieder rausgekämpft habe und stärker zurückgekommen bin, gibt mir mehr als jeder Erfolg.“ Und so war der Wechsel am Ende der Vorbereitung dann auch schnell vom Tisch. Eine lohnende Entscheidung für beide Seiten – Bičakčić blieb in Form und in der Startelf: „Wenn ich fit war, war ich eigentlich immer dabei. Ich habe auf hohem Niveau konstant meine Leistung gebracht und die beste Saison meines Lebens gespielt.“
Einen ganz besonderen Moment in dieser an Höhepunkten reichen Spielzeit bescherten ihm die Fans der TSG Hoffenheim. Beim Spiel gegen Mainz entrollten sie zwei Banner, auf denen in großen Lettern geschrieben stand:
Immer präsent und oft im
Bild der emotionalen Zu-
sammenschnitte: Ermin
Bičakčić. Der 29-Jährige
ist einer der dienstältes-
ten TSG-Profis, hat erfolg-
reich gegen den Abstieg
gekämpft, war Bestandteil
der legendären Mannschaft,
die Hoffenheim erstmals
nach Europa führte und
bewies seinen enormen
Wert für die TSG in dieser
Spielzeit auch in der Kö-
nigsklasse. Erlebnisse, die
den Verteidiger auch in der
Retrospektive emotional werden lassen. Eindringlich be- schreibt er die Gedankengänge und die Ereignisse von dem Moment an, an dem seine Mutter ihr Herz in die Hand nahm und mit Sohn Ermin auf dem Arm von Bosnien nach Deutschland f lüchtete. „Ich lag am Abend vor dem Spiel im Bett und habe an meinen Weg bis in die Königsklasse gedacht. Die Flucht meiner Eltern aus Bosnien, meinen schwierigen Start in Deutschland, unseren Lebensstil, als wir hierher kamen – und dass der kleine Junge von damals nun in der Champions League aufläuft. Ich war meinen Eltern sehr dankbar für ihren Mut, nach Deutschland zu kommen. Und stolz: auf sie, auf mich, auf das, was wir als Familie hier erreicht haben, nachdem wir in einem fremden Land bei Null anfangen mussten. Das waren sehr intensive Momente.“
Profis
 SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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Schmuckkästchen der TSG: Die Vitrine der TSG Hoffenheim im Eingangsbereich des Trainingszentrums in Zuzenhausen.
 





































































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