Page 18 - Spielfeld_Mai_2019
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 Hast Du auch das Gefühl, dass das Umfeld ungeduldiger wird?
„Die Ambitionen des Klubs, auch der Verantwortlichen, sind höher geworden, das ist ja ganz klar. Das hat man auch in der Phase gemerkt, in der es nicht so gut lief. Da wird Unzufriedenheit schon mal etwas deutlicher angemerkt, da war nicht alles Friede, Freude, Eier- kuchen. Wir haben alle Blut geleckt. Die Ungeduld wird natürlich größer, wenn es mal nicht so gut läuft. Aber jeder muss die Ruhe bewahren und einen realistischen Blick auf die Dinge haben, auch wenn wir zuvor in Donezk und Manchester gespielt haben. Das kann alles wiederkommen, aber das ist keine Normalität.“
Glaubst Du, dass es auch im Umfeld noch nicht begriffen wurde, wie außergewöhnlich hier gearbeitet wurde?
„In dem Moment, wo es passiert ist, zumeist schon. Aber drei Wochen später ist er vergessen. Nach dem 2:0 gegen Hertha BSC haben mich einige Journalisten gefragt, warum es nicht 5:0 oder 6:0 ausging – nach dem Motto „Ist ja schon etwas dünn“.
Dabei hat da das kleine Hoffenheim gegen die euro- päische Metropole Berlin gespielt, die ein unglaub- liches Einzugsgebiet hat, eine wahnsinnige Sponso- ring-Landschaft und drei Wochen zuvor mit uns um die internationalen Plätze gekämpft hat. Wir haben souverän gewonnen und waren in der Lage, sechs Tore zu schießen. Da hat jetzt nicht Real Madrid gegen Leganés gespielt; das war Hoffenheim gegen Berlin. Zwei Vereine, die finanziell auf Augenhöhe sind. Das ist schon manchmal verrückt, wie da die Bewertung ist. Wir haben beide Spiele in dieser Saison 4:1 gegen Leverkusen gewonnen. Die haben so wahnsinnig viel mehr Geld als wir. Das ist schon skurril. Da kommen die Leute ins Stadion und sagen: Jaja, ist ja normal. Ein 4:1 gegen Leverkusen. Aber so ganz normal ist es nicht.“
Dann formulieren wir unsere letzte Frage mal entsprechend: Auf wie viel Außergewöhnliches dürfen die TSG-Fans denn zum Saisonende noch hoffen?
„Es gibt noch viele interessante Spieltage und direkte Duelle. Wir können nicht planen, alle Spiele zu gewin- nen, aber wir sind in einem Lauf. Wir erinnern uns an die beiden vergangenen Rückrunden, wir wissen was möglich ist. Die gute Bilanz zuletzt erinnert uns an die Jahre zuvor und die anderen Trainer und Klubs erinnern sich ja auch daran. Da wird der Druck grö- ßer und wenn der Druck größer ist, machst du eher Fehler. Aber ich habe auch gesagt: Wenn wir nach diesem Saisonverlauf am Ende Fünfter oder Sechster werden, dann können wir auch drei Kreuze machen und sind sehr, sehr glücklich. Das wäre ein großartiger Abschluss.“
DIE TOP-5-SPIELE VON JULIAN NAGELSMANN
1.„Der Sieg gegen Dortmund, der uns die Champions League-Qualifikation brachte. Das war so ein Moment, in dem ich mich gefragt habe: Ob mein Papa das wohl sieht von da oben? Beim 3:1 stand ich da und hab‘ gedacht: Was für eine verrückte Karriere in Hoffenheim, in meinem Leben. Da blickst du zehn Jahre zurück, und denkst, dass du dir das erträumt hast. Und du denkst daran, was du durchgemacht hast in den Jahren zuvor und du hast den innigen Wunsch, diese Momente mit deiner Familie teilen zu können.“
2.„Das Hinspiel gegen Liverpool war ein brutales Highlight. Das war außergewöhnlich gut, wie wir da gespielt haben gegen diese Weltklasse-Mannschaft. Ich bin heute noch der Auffassung: Wenn wir den Elfmeter reinmachen, dann gewinnen wir es.“
3.„Mein erstes Spiel in Bremen (1:1; d. Red.) war natürlich ein Marker, den ich nie vergessen werde. Nicht nur, weil es mein Debüt war, sondern auch wegen des schnellen Erfolges. Wir haben gleich ein Tor geschossen mit der Kombination Strobl und Kramarić, wie wir es trainiert hatten.“
4.„Das 3:3 in Dortmund nach 0:3-Rückstand in diesem Jahr war extrem emotional. In diesem Hexenkessel so zurückzukom- men, als dort relativ verhasster Verein, das war großes Kino.“
5.„Mein erstes Spiel gegen den 1. FC Köln mit dem Aus- gleichstor zum 1:1 von Kevin Volland in der vierten Minute der Nachspielzeit mit rechts – weil es am Ende ein ganz entschei- dender Punkt im Kampf um den Klassenerhalt war. Wir hatten im ersten Halbjahr viele Spiele, die wir am Ende noch gewonnen haben. Da waren viele emotionale Momente dabei.“
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