Page 77 - Spielfeld_April_2019
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 Region
  Kleine Brötchen wollte er nie backen. Die große Eis-Re- Maronenpüree mit einer Zuckerglasur – inspirierte ihn zu
volution sollte es sein. Dario Fontanella wusste ganz
genau, dass er eine „brillante Idee“ hatte, als er am 6. April 1969 mit Kumpel Jochen und einer Spätzlepresse in den Keller der Mannheimer Eisdiele seines Vaters stieg. „Das wird eine Sensation! Eine Revolution unserer Branche“, versprach er ihm großspurig auf dem Weg in die Eisküche.
50 Jahre später sitzt er eine Etage
höher, erzählt seine Geschichte und
beginnt noch weiter zurück: 1906,
als Großvater Michelangelo die Ge-
lateria Fontanella in Conegliano bei
Venedig eröffnete. Die väterliche
Eisdiele im Quadrat O4 gehört heute
ihm, die Gäste um ihn herum löffeln seine kühle Revoluti- on: Spaghetti-Eis. Er soll es erfunden haben. Uniteis – die Vereinigung der handwerklich arbeitenden italienischen Speiseeishersteller in Deutschland – bestätigt, dass dort bis heute niemand sonst die Erfindung für sich reklamiert habe. Und so detailgenau, ausführlich und enthusiastisch, wie der 67-Jährige darüber redet, kann und möchte daran wohl auch kaum jemand ernsthaft zweifeln.
Fontanellas erster Versuch in Papas Eis-Küche lief gründlich schief. Er wollte die italienische Fahne inszenieren: Grün, Weiß, Rot – Pistazie, Zitrone, Erdbeere – und packte jeweils eine Kugel davon in die Spätzlepresse, die er sich mit ein paar D-Mark von seiner Oma gekauft hatte. Heraus kam eine bunt zerlaufene Gelato-Soße. Mit frostiger Miene und kaltem Wasser spülte er die Presse ab. Der neue Versuch sah schon etwas besser und fester aus. Fontanella packte den Teller und die Presse in die Tief kühltruhe und die dritte „Pressung“ lieferte die perfekte Konsistenz: leicht, luftig, lecker. Einige Tage vorher saß er im Café Embassy in Cortina d’Ampezzo und bestellte völlig ahnungslos ein Dessert namens Mont Blanc. Der Nachtisch – durch eine Kartoffelpresse gedrücktes
sich an die Arbeit. Tatsächlich sah die Vanille-Variante aus wie Spaghet- ti. „Fehlt nur noch die Bolognese“, fand er. Zuerst probierte Dario es mit gehackten Himbeeren, doch Erdbeerpüree sah nicht nur besser aus, sondern war auch einfacher zu
verarbeiten, da es keine groben Kerne hat. „Und jetzt noch Parmigiano.“
Oben in der Wohnung lag noch ein Schoko-Osterei – halb aus weißer, halb aus dunkler Schokolade. Mit einer Käserei- be hobelte er den letzten hellen Süßschliff auf seine Pasta- Illusion. „Fertig war das erste Spaghetti-Eis. Das war ein Ding“, erinnert er sich. Heute ist es der Eisdielen-Klassiker schlecht- hin. 23 bis 25 Millionen Portionen Spaghetti-Eis werden hierzulande laut Uniteis jedes Jahr verkauft. Auch Nicola ‚Nico‘ Saccinto, dessen Eisstube die TSG-Fans in und an der Arena mit den eisigen Köstlichkeiten versorgt, hat das Spa- ghetti-Eis natürlich auf der Karte. Es ist längst ein Klassiker. Fontanella wollte seine Erfindung damals erst einmal unter die Mannheimer bringen. Er bettelte seinen Vater an, die Kreation auf die Karte zu nehmen, doch der war skeptisch. „Unsere Vorbilder waren die Konditoreien. Dort gab es wun- derschöne pompöse Torten. Das war ein seriöses Geschäft, für so etwas Verspieltes war kein Platz.“ Doch letztlich drück- te der junge Dario seine Spezial-Spaghetti durch und der Siegeszug nahm für 1,80 D-Mark pro Portion ganz langsam seinen Lauf.
SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
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„Das wird eine Sensation! Eine Revolution unserer Branche.“
DARIO FONTANELLA
seiner eigenen eisigen Variante.
Fontanella lief nach oben und präsentierte den „perfekten Teller“ seinem Vater. Der meinte nur: „Ich habe noch nie bunte Spaghetti gesehen. Probier’s doch mal mit Vanille.“ Das sei das erste Mal gewesen, dass jemand Spaghetti und Eis in Verbindung brachte. Er rannte wieder runter und machte













































































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