Page 36 - Spielfeld_April_2019
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  Kasim Adams geht auf dem
Platz keinem Duell aus dem Weg. Der 23-jährige Ghanaer hat in seiner Laufbahn allerdings schon härtere Widerstände erfahren als nun im Trikot der TSG Hoffenheim.
COURAGIERTER KÄMPFER
A ls Kasim Adams seinen aktuellen
Trainer Julian Nagelsmann das erste Mal sah, erklärte
er ihn für verrückt. Es war allerdings weder böse noch negativ gemeint, son- dern eher ein beeindrucktes Staunen – und vor allem konnte der Ghanaer zu
diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass er schon bald mit dem Hoffenheimer Trainer zusammenarbeiten würde. Denn Adams spielte bei den Young Boys Bern – und schaute
die Bundesliga mit Mannschaftskollegen im TV. „Wir haben diesen Trainer gesehen, der immer so laut geschrien hat, dass man es im Fernsehen über die Lautsprecher hören konnte
und dachten, er ist ‚totally crazy‘. Wie er sich 90 Minuten an der Linie bewegt, gestikuliert und seine Mannschaft vorantreibt, das hat uns alle fasziniert. Er wurde von den Kameras auch immer in Nahaufnahme gezeigt. Nach einer Weile haben wir dann immer Hoffenheim geschaut,
um ihn zu sehen.“
Ein gutes Jahr später stand der Mann von der Mattscheibe dann persönlich vor Adams. Live statt in HD, Fußballplatz statt Fernseher. Adams lernte den 31-Jährigen persönlich und dann auch beruf lich kennen
– und rief seine ehemaligen Kumpels an, die neugierig auf Eindrücke warteten: „Ich habe ihnen gesagt, dass er ein ganz normaler und vor allem richtig guter Typ ist. Er verändert sich aber in dem Moment, in dem das Spiel losgeht.
Dann wird er emotional, was den Spielern und somit der Mannschaft sehr hilft.“
        Accra
Sorgen hatte sich der Verteidiger vor der besonderen Art des Coachings ohnehin nicht gemacht. Er fühlte sich durch ihn viel mehr erinnert
an Zeiten, in denen er noch nicht auf perfekten Rasenplätzen
spielte, auf einer Leinwand seine Trainingseinheiten gezeigt bekam oder mit dem Auto nach dem Training nach Hause
fuhr. Nagelsmann erinnerte ihn an die Stunde null seiner Karriere, an einen anderen Abschnitt seines Lebens
und an Umstände, die ihm nach fünf Jahren in Europa wie eine Parallelwelt erscheinen – aber
noch immer seine Heimat ist.
Kasim Adams ist 16, als er seine Familie verlässt und von Accra nach Tarkwa zieht, um dort Profi-Fußballer zu werden. Es liegen nur etwa 300 Kilometer zwischen der
Hauptstadt und der Kleinstadt – umgerechnet in Stunden am Steuer allerdings mindestens
sieben. Fern der Heimat schließt er sich dem Medeama SC an, wo er auf Alahssan
Sediu trifft. Einen Trainer, der den Fußball liebt und Faulheit hasst. Jemand, der die Gefahren des Lebens
in Afrika ebenso kennt wie die unendlichen Möglichkeiten
eines Profis in Europa. Und ebenso emotional
an der Seitenlinie agierte wie Julian Nagelsmann.
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