Page 81 - Spielfeld_Januar_2019
P. 81

 „Bei den Olympischen Spielen 1896 gab es gerade einmal zwei Stoppuhren, von denen eine defekt war.“
KURATOR DR. ALEXANDER SIGELEN
Im modernen Sport entscheiden oft Hundertstel oder gar Tausendstel über Sieg und Niederlage. „Bei den Olympischen Spielen 1896 gab es gerade einmal zwei Stoppuhren, von de- nen eine defekt war. 2016 umfasste die Zeitmessung in Rio de Janeiro dagegen 480 Tonnen Ausrüstung“, erklärt der Kurator. Zielkameras nehmen bis zu 30.000 Bilder pro Sekunde auf und lösen so jedes noch so knappe Fotofinish auf. Die Anfänge sahen anders aus: Eine Uhr etwa, auf deren Zeiger man einen Tintentropfen gab, der beim Stoppen der Uhr einen Klecks hinterließ, so dass man die Zeit ablesen konnte. „Das war die erste Möglichkeit, auf Sekundenbruchteile zu messen“, erklärt Sigelen. Auch ein regionales Exponat erinnert an die guten alten (ungenauen) Stoppzeiten: die mechanische Stoppuhr des Mannheimer „Wunder von Bern“-Bundestrainers Sepp Herberger. „Damit hat er damals gemessen, wie schnell seine Nationalspieler laufen konnten. Herberger führte akribisch Buch“, sagt Sigelen. Wer will, kann selbst sprinten oder mes- sen: Eine hochmoderne Zielkamera hängt mitsamt Monitor an der Decke. Daneben läuft der Fabel-100-Meter-Weltrekord von Usain Bolt auf einem Bildschirm in Dauerschleife und zwei Stoppuhren hängen bereit. Sigelen: „Ich habe noch von keinem gehört, der die 9,58 Sekunden getroffen hat.“
Eine vergleichsweise simple Erfindung mit weitreichenden Folgen geht auf den Stuttgarter Schiedsrichter Rudolf Kreitlein zurück. Im WM-Viertelfinale zwischen England und Argen- tinien 1966 wollte er den argentinischen Kapitän Antonio Rattín vom Platz stellen, doch es gab gewisse Verständigungs- probleme. Der Spieler weigerte sich vom Feld zu gehen und konnte erst nach sieben tumultgeprägten Minuten den Rasen mit der Polizei verlassen. Am nächsten Tag beriet er sich mit dem englischen Schiedsrichterbetreuer Ken Aston, der – in- spiriert durch den Straßenverkehr – Karten in Ampelfarben als Symbole für Verwarnungen und Platzverweise vorschlug. Die erste gelbe Karte zückte beim Eröffnungsspiel der WM 1970 ein Mannheimer Lokalmatador: Schiedsrichterlegende Kurt Tschenscher.
Ein Exponat im Technoseum scheint auf den ersten Blick völlig deplatziert: ein blümchenbunter Porzellanteller mit passender Tasse und Untertasse. Es ist ein Teil des Kaffee- services „Mariposa“, das die Spielerinnen der deutschen Frauen-Nationalmannschaft als Siegprämie für den EM-Titel 1989 erhielten. Die männlichen Kollegen bekamen für den WM-Titel ein Jahr später 125.000 D-Mark. Haushaltswaren gibt es heute für die Fußballerinnen nicht mehr, doch an einem WM-Titel verdienen sie immer noch lediglich rund ein Fünftel der Männer. Mit einem Bein stehen sie also auch im Zeitalter des Hawk-Eyes noch im Abseits.
Volle Konzentration anno 1966: Die Zeitnehmer an der Ziellinie des 100-Meter-Laufs mit mechanischen Stoppuhren.
INFO
Die Ausstellung „Fertig? Los! Die Geschichte von Sport und Technik“ mit rund 400 Exponaten und 17 Mitmachstationen ist in sechs Themenbereiche unterteilt: „Sport erobert die Welt“, „Sportliche Körper“, „Technik im Wettstreit“, „Schneller, weiter, genauer“, „Vom Stadion ins Wohnzimmer“ und „Trendsports und Sporttrends“. Die Schau ist noch bis 10. Juni während der Öffnungszeiten des Mannheimer Technoseums (Museumsstraße 1), täglich von 9 bis 17 Uhr, zu sehen.
Region
  SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
81
Bildquelle: Omega Sports Timing, Jean Pierre Bovay























































































   79   80   81   82   83