Page 8 - Spielfeld_Dezember_2018
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 Kinder, wie die Zeit vergeht
  Manche Bilder entfachen ihre Wirkung erst in der Rückschau. Hier der in sich kauernde Berti Vogts mit fragendem Blick, dort der fotografisch übergroß in Szene gesetzte Stefan Effenberg mit Käpt’n Ahab-Blick – in Badelatschen. Jener Effenberg, der sich damals – vier Jahre nach seinem vom Mittelfinger motivierten Rauswurf während der WM 1994 in den USA – vom Bundes- trainer noch einmal zu einem Zwei-Spiele-Comeback in der deutschen Na- tionalmannschaft hatte erweichen lassen. Zwei Tage nach diesem Foto vor malerischer Mittelmeer-Kulisse reichte der Bundestrainer seinen Rücktritt ein. Er wollte „einer guten Entwicklung nicht im Wege stehen“, ließ der damals 51-Jährige im September 1998, vor nunmehr 20 Jahren, per DFB-Presse- mitteilung verlauten. Vorausgegangen waren neben dem missglückten Malta-Lehrgang mit zwei äußerst trostlosen Testspielen (2:1 gegen Malta, 1:1 gegen Rumänien) eine an damaligen Maßstäben gemessen total verkorkste WM in Frankreich (mit dem Aus im Viertelfinale, 0:3 gegen Kroatien) sowie eine mediales Dauergewitter gegen den, nun ja, eher mäßig beliebten Vogts.
Für den umstrittenen, gleichwohl charakterlich untadeligen Mann vom Niederrhein war der Rücktritt auch Selbstschutz: „Ich bin es mir selbst schuldig, den letzten Rest Menschenwürde zu verteidigen, welcher mir noch gelassen worden ist.“ Sätze, die einen heute beklommen machen sollten. Und Vogts hatte, als Nachfolger des charismatischen Weltmeister-Trainers Franz Beckenbauer, zu keiner Zeit sonderlich viel öffentlichen Kredit, obwohl er die Nationalmannschaft 1996 zum EM-Titel – und das im Fußball-Mutterland England – geführt hatte. Anders übrigens als heute Bundestrainer
Joachim Löw. Dessen Weiterbeschäftigung nach der – nicht nur an heutigen Verhältnissen gemessen – historisch verkorksten WM 2018 löste bei aller veröffentlichten Kritik keinen vergleichbaren medialen Spießrutenlauf aus. Vielleicht ist man auch aus Erfahrung klug geworden. Mit Vogts‘ Nachfolger Erich Ribbeck zumindest wurde es nicht besser – Deutschland schied bei der EM 2000 ohne Sieg in der Vorrunde aus. Mit dem 39 Jahre alten, von Ribbeck reak- tivierten Lothar Matthäus als Libero – aber ohne Stefan Effenberg.
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 Kurzauftritt vor dem Rücktritt: Stefan Effenberg (r.) und
Berti Vogts 1998 während des DFB-Lehrgangs auf Malta.
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© 2018 Christoph Härringer, www.facebook.com/Spottschau






















































































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